FG Düsseldorf, Urteil vom 29.8.2018, 7 K 641/18 GE (Revision zugelassen)
„Der Boden entkompliziert, so wie er das Wasser reinigt.“ Hätte Robert Musil sich eingehender mit dem deutschen Steuerrecht befasst, so hätte er die Verwendung des Wortes „entkompliziert“ wohl noch einmal überdacht. Ob ein Hallenboden als Gebäudeteil oder als Betriebsvorrichtung anzusehen ist, hängt nämlich von den Umständen des Einzelfalls ab, wie ein Urteil des FG Düsseldorf zeigt.
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Problemstellung
Die Klägerin erwarb ein Grundstück mit der Verpflichtung, darauf ein Logistikzentrum zu errichten. Der Kaufpreis war u.a. abhängig von den Baukosten des Logistikzentrums. Aufgrund der besonderen Anforderungen an die Statik des Hallenbodens ging die Klägerin davon aus, dass der Hallenboden als Betriebsvorrichtung und nicht als Teil des Gebäudes anzusehen sei. Die Einteilung hat im Ausgangsfall zur Folge, dass die auf den Hallenboden entfallenden Kosten nicht der Grunderwerbsteuer unterliegen.
Das Finanzamt vertrat dagegen die Auffassung, der Hallenboden sei ein sog. „doppelfunktionales Bauteil“, welches immer dem Gebäude zuzurechnen sei.
Lösung
Das FG Düsseldorf folgt der Auffassung des Finanzamts. Die Doppelfunktionalität des Bodens ergibt sich dadurch, dass er das Gebäude nach unten vor Witterungseinflüssen abschließt. Somit ist der Hallenboden dem Gebäude zuzurechnen.
Etwas anderes würde sich ergeben, wenn auf einem vorgegebenen Fundament ein Spezialfußboden verlegt wird, der ausschließlich der betrieblichen Nutzung dient. Ein Beispiel hierfür wäre der Spezialbodenbelag einer Tennishalle. In einem solchen Fall ist das Gebäude auch ohne den Spezialbelag gegen Witterungseinflüsse geschützt, so dass keine Doppelfunktionalität vorliegt.
Gleiches gilt z.B. bei Fundamenten: Einzelfundamente für bestimmte Maschinen stellen eine Betriebsvorrichtung dar, während eine allgemeine Fundamentverstärkung dem Gebäude zugerechnet wird.
Zusätzlich ist auch der angestrebte Nutzungszweck des Gebäudes zu beachten. So stellen laut Anlage 2 des Abgrenzungserlasses vom 5.6.2013 Rasenflächen bei Schwimmbädern eine Betriebsvorrichtung dar, während sie bei anderen Betrieben als Außenanlage dem Grundvermögen zugerechnet werden. Schwimmbäder in einem Hotel sind Teil des Gebäudes; demgegenüber zählen Schwimmbecken einer Sportanlage als Betriebsvorrichtung. Von einer „Entkomplizierung“ kann man da nicht wirklich sprechen.
Das Urteil des FG Köln strahlt auch auf die steuerbilanzielle Behandlung aus. Denn Gebäudeteile, die nicht in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Gebäude stehen, sind bilanzsteuerrechtlich selbstständige Wirtschaftsgüter. Selbstständige Gebäudeteile in diesem Sinne sind insbesondere: - Betriebsvorrichtungen,
- Scheinbestandteile,
- Ladeneinbauten (in eigenen Gebäuden) und
- Mietereinbauten (in fremden Gebäuden).
Betriebsvorrichtungen können hinsichtlich der handelsrechtlichen Klassifizierungen (gemäß § 266 HGB) sowohl „Technische Anlagen und Maschinen“ als auch „Andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung“ sein. Die Abschreibung der Betriebsvorrichtungen richtet sich somit nicht nach den Grundsätzen der Gebäude-AfA. Beispiel zum Lastenaufzug in einem Gebäude: Dieser stellt eine Betriebsvorrichtung dar! - Bei einem produzierenden Unternehmen, das „Technische Anlagen und Maschinen” führt, existiert dann häufig ein Konto „Hebe- und Verladeeinrichtungen”. Hierunter würde dann der Lastenaufzug erfasst werden.
- Handelt es sich jedoch um Dienstleister oder Softwarehersteller, die keine Produktionsanlagen betreiben, werden obige Konten in der Regel nicht vorhanden sein. Dann wird der Lastenaufzug unter „Andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung” gebucht.
Von den Betriebsvorrichtungen sind die sog. „Scheinbestandteile” zu unterscheiden: Als bewegliche Vermögensgegenstände der Betriebs- und Geschäftsausstattung fallen darunter Einbauten in eigene Gebäude, die nur vorübergehend vorgenommen werden, da sie einem schnellen Wandel des modischen Geschmacks unterliegen (z.B. Gaststätteneinbauten oder Schalterhalleneinrichtungen). Eine Kontierungshilfe, aus der die wichtigsten Abgrenzungen hervorgehen und die auch die Nutzungsdauern aus der amtlichen AfA-Tabelle enthält, zeigt die – als Auszug dargestellte – Tabelle von Jüttner, BC 2010, 101, Heft 3. |
Beispiele: - Die Klimaanlage eines Lebensmittelherstellers in einer gemieteten Lagerhalle lässt sich steuerbilanziell, aber auch handelsrechtlich als eigenständige Betriebsvorrichtung definieren. Deshalb erfolgt eine gesonderte Aktivierung mit separater planmäßiger Abschreibung sowie – nach Verbrauch – eine Aktivierung der Neuanschaffung. Demgegenüber gehört eine lufttechnische Anlage oder auch eine Klimaanlage dann zum Gebäude, wenn damit den Mitarbeitern „im Winter angenehme Wärme und im Sommer angenehme Kühle” bereitgestellt werden soll. Ist die Anlage jedoch erforderlich, um beispielsweise hohe Temperaturen oder Dämpfe, die beim Produktionsprozess entstehen, abzusaugen, dann ist die Anlage eine Betriebsvorrichtung.
- Ähnlich verhält es sich im Fall einer Lagerhalle, die vom Mieter zu einer Tennisanlage umgebaut wird: Der besondere Bodenbelag ist mit den Herstellungskosten zu aktivieren, ebenso der spätere Ersatz des nicht mehr bespielbaren (abgenutzten) Bodens.
- Bei Beleuchtungskörpern in einer Halle, die an Ketten oder Pendeln abgehängt sind, handelt es sich um Betriebsvorrichtungen (selbstständig nutzbare Wirtschaftsgüter). Deren Austausch führt zur Aktivierung. Demgegenüber sind Einbauleuchten in einem Bürogebäude Bestandteil des Gebäudes. Deren Austausch stellen Instandhaltungsaufwendungen dar.
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Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 10/2018
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