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Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Nachholbedarf bei der Klimaberichterstattung

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

 

Zwar ist im Rahmen einer PwC-Analyse kürzlich als „gute Nachricht“ verkündet worden, dass mehr als 95% der börsennotierten Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz mittlerweile über Klimathemen berichten. Allerdings folgt unmittelbar als Einschränkung, dass die Tiefe und Qualität der Klimaberichterstattung den Erwartungen oft nicht gerecht werden. Nicht nur für Großunternehmen, sondern auch für den Mittelstand bieten sich insoweit Chancen, über ein anforderungsgerechtes Reporting Erwartungslücken zu vermeiden und Finanzierungsquellen zu erschließen.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Kurz nach der Bekanntgabe der Fortschritte im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung, die im Rahmen des KPMG Survey on Sustainability Reporting (Sustainability = Nachhaltigkeit) festgestellt werden konnten (vgl. dazu hier; siehe auch die Praxishinweise auf andere Studien am Ende dieses Beitrags), lobte auch der Konkurrent PwC die Ausweitung derKlimaberichterstattung (als Teilbereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung) börsennotierter Unternehmen. Das Aber lässt in der Nachricht vom 10.12.2020 allerdings nicht lange auf sich warten: „So kommunizieren die meisten Unternehmen zwar über ihre Klimaziele, aber nur wenige haben einen konkreten Plan mit Meilensteinen und einer Roadmap entwickelt, der im Detail beschreibt, wie sie diese Ziele erreichen und die Fortschritte messen wollen.“ Im Rahmen dieser PwC-Studie hat die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft die Klimaberichterstattung von 130 Unternehmen im deutschen DAX 30 und MDAX sowie im österreichischen ATX 20 und im Schweizer SMI 20 analysiert.

Nicolette Behncke betont als Partnerin und Expertin für Sustainability-Reporting und -Assurance bei PwC Deutschland, dass zwar der Klimawandel als die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts und das beherrschende Thema in Politik und Gesellschaft in das Bewusstsein gerückt sei. Umso enttäuschender sei es aber, dass die Klimaberichterstattung börsennotierter Unternehmen dieser Bedeutung noch nicht gerecht wird: „Der Wille, sich mit dem Klimawandel auseinanderzusetzen, ist zwar da, aber bei der Umsetzung bzw. transparenten Darstellung der Fortschritte hapert es.

Zwar berichten der Studie zufolge mehr als zwei Drittel der Unternehmen über klimabezogene Risiken. Die Chancen, die sich aus Klimaveränderungen ergeben können, werden aber bisher nur von etwa der Hälfte der untersuchten Unternehmen betrachtet. Klima-Szenarioanalysen werden sogar nur von weniger als jedem fünften Unternehmen (18%) im Reporting genutzt, um zu zeigen, wie klimabedingte Risiken und Chancen identifiziert und gesteuert werden. Nicolette Behncke wird da deutlich: Obwohl es mittlerweile viele konkrete Anhaltspunkte und Methoden gebe, wie Unternehmen extern über ihre Klimaauswirkungen berichten können, „… zeigt unsere Analyse, dass insbesondere der Umgang mit Klimarisiken und -chancen bei zahlreichen Unternehmen noch in den Kinderschuhen steckt“.

Vor allem fehlt es an Klarheit über das Erreichen der kommunizierten Ziele und über die Kennzahlen für das Messen des Fortschritts, sodass also jenseits ausgegebener Leitlinien bei der konkreten Umsetzung der gesteckten Klimaziele noch viel Luft nach oben besteht: Nur knapp 40% der analysierten Unternehmen verknüpfen ihre Klimaziele mit einer spezifischen Roadmap, die konkrete Meilensteine, Zwischenziele und Maßnahmen aufzeigt. Besonders bedenklich stimmt, dass weniger als jedes dritte Unternehmen verwendete klimabezogene Kennzahlen zu etablierten Finanzkennzahlen oder operativen Steuerungsgrößen ins Verhältnis setzt, also beispielsweise die Emissionen im Verhältnis zum Umsatz auswertet. Nicolette Behncke fasst die Problematik wie folgt zusammen: „Wenn diese Informationen jedoch nicht transparent dargestellt werden, ist es für die Stakeholder schwierig, die Bedeutung der jeweiligen Kennzahl für das Unternehmen zu verstehen, zu vergleichen und kritisch zu würdigen.“

 

 

Lösung

Die Problemlösung sollte im Steuerungssystem beginnen. Denn die von PwC auch untersuchte Berichterstattung über die sog. Klima-Governance lässt vermuten, dass bei einigen Unternehmen Steuerungsfunktionen nicht klar definiert sind. Zumindest aber fehlt häufig die Transparenz über die Verankerung im Management. Das erschwert – so das PwC-Fazit –  Investoren und anderen Stakeholdern die Einschätzung, ob sich die Geschäftsleitung angemessen mit den Folgen des Klimawandels befasst und ob das Unternehmen anpassungsfähig genug aufgestellt ist, um die erwarteten Herausforderungen beherrschen zu können.

Vor dem Hintergrund solcher Defizite ist oft der Vergleich mit Wettbewerbern über ein Benchmarking zielführend, also insbesondere auch die Suche nach bereits praktizierten Vorbildern. Insoweit hilft, dass ergänzend zu der obigen Meldung über die Studie zur Klimaberichterstattung PwC am 10.12.2020 auch über die Verleihung des Building Public Trust Award in 2020 informierte. Damit werden seit einigen Jahren Vorreiter ausgezeichnet, die schon heute in vorbildlicher Art und Weise über Klimaziele und ihre erzielten Fortschritte auf dem Weg zur Zielerreichung berichten. Eine Fachjury, bestehend aus Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Investoren, Aufsichtsräten und einer Rating-Agentur, verlieh für 2020 vier Preise, die in der Tabelle aufgelistet sind.

 

 

Tabelle: Awards zur Klimaberichterstattung (KB)

Preis für …

Preisträger

Jury-Urteil

Beste KB im DAX 30

Telekom

Das Unternehmen überzeugt mit einer sehr ausführlichen und konsistenten Berichterstattung im Rahmen der TCFD-Empfehlungen sowie einer glaubhaften Vermittlung der CO²-Ziele zur Umsetzung der neuen Klimastrategie.

 

Beste KB-Entwicklung im DAX 30

Continental

Der Automobilzulieferer besticht durch bemerkenswerte Fortschritte bei klimabezogenen Angaben vor dem Hintergrund der Transformation des Geschäftsmodells hin zur E-Mobilität und Digitalisierung. Insbesondere die stringente Einbettung von Klimathemen in die Kommunikation mit Investoren ist hervorzuheben.

Beste KB im MDAX

Evonik

Das Chemie-Unternehmen kann insbesondere mit einer transparenten Darstellung seiner Impact Valuation und den ambitionierten Zielsetzungen rund um Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette hinweg punkten.

Beste KB im ATX

Lenzing

Das Unternehmen, das sich auf die Produktion und den Vertrieb von Fasern für die Textilindustrie fokussiert, beeindruckte mit seiner ganzheitlichen klimabezogenen strategischen Ausrichtung und klaren Zielvorgaben, welche mit aussagekräftigen spezifischen Kennzahlen untermauert sind.

 

 

Ohne die an der entsprechenden Berichterstattung in den Unternehmen mitwirkenden Bilanzbuchhalter und Controller wären die Preise wohl kaum zu gewinnen gewesen. Wer den Blick über den Tellerrand der wenigen börsennotierten Unternehmen hinaus auf den Mittelstand lenkt, findet Ansatzpunkte zur Nachahmung beispielsweise in Form der Mittelstandsinitiative Energiewende und Klimaschutz 3.0, die kleine und mittlere Unternehmen (KMU) dabei unterstützt, energieeffizienter zu wirtschaften und so zum Klimaschutz beizutragen (siehe unter https://www.klimaschutz.de/projekte/mittelstandsinitiative-energiewende-und-klimaschutz-30). Die Initiative ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Industrie- und Handelskammertags e.V. (DIHK) und des Zentralfachverbands des deutschen Handwerks (ZDH) mit Förderung des Bundesumweltministeriums und des BMWi.

 

Die Mittelstandsinitiative hilft Unternehmen dabei, Energieeinsparpotenziale zu identifizieren und Effizienzmaßnahmen umzusetzen. Dabei kommuniziert sie auch die dazugehörigen Anforderungen an kleine und mittelständische Unternehmen aus Handel, Handwerk, Industrie und Gewerbe. So trägt sie dazu bei, die Akzeptanz für die Energiewende und für Klimaschutzmaßnahmen zu steigern. Für die MIE 3.0 haben sich der DIHK und der ZDH auf folgende Themenschwerpunkte verständigt:

  • Digital: Möglichkeiten der Digitalisierung für KMU
  • Mobil: Impulse für klimafreundliche Mitarbeiter-Mobilität entwickeln
  • Mensch: Know-how befördern und nachhaltig machen.

 

 

Praxishinweise:

  • Im Rahmen der Mittelstandsinitiative ist bereits am 13.12.2019 ein Förderaufruf für innovative Klimaschutzprojekte aufgelegt worden (siehe unter https://www.klimaschutz.de/innovative-klimaschutzprojekte). Das Förderprogramm läuft seit dem 1.1.2020 und noch bis zum 15.10.2021.
  • Die komplette PwC-Studie ist unter https://www.pwc.de/de/nachhaltigkeit/building-public-trust-award/klimaberichterstattung-borsennotierter-unternehmen.html einsehbar. Ergänzt wurde die inhaltliche Analyse durch eine KI-gestützte Textanalyse der Universität Hamburg. Durch diese konnten die Wissenschaftler fundiert aufzeigen, wie intensiv Unternehmen die relevanten Klimabegriffe in die Berichterstattung integrieren. „Sowohl bei der Integration als auch beim Umfang klimabezogener Informationen gab es in der Berichterstattung deutliche Unterschiede – und das über die Indizes hinweg”, so Prof. Kerstin Lopatta von der Universität Hamburg. Interessant sei, dass Unternehmen es auch schaffen können, über mehrere Berichtsformate hinweg „integriert” und konsistent zu berichten, solange der rote Faden erkennbar ist.
  • Mit dem Building Public Trust Award zeichnet PwC seit 2016 Unternehmen aus, die eine besonders transparente, glaubwürdige Berichterstattung haben und auch nichtfinanzielle Werttreiber und Leistungsindikatoren abbilden (mehr Informationen siehe unter https://www.pwc.de/de/nachhaltigkeit/building-public-trust-award.html, vgl. zuletzt für 2019 hier).
  • Auch das IDW hält vor allem die Fortentwicklung der Rechnungslegung für notwendig und spricht sich für eine Weiterentwicklung der nichtfinanziellen hin zu einer integrierten Unternehmensberichterstattung aus. Aus Sicht der Bilanzbuchhalter besonders von Interesse ist hierbei, dass das IDW am 17.12.2020 unter der Überschrift „Klimarisiken in der Unternehmensberichterstattung“ mitgeteilt hat, dass die 17 Berufsorganisationen rechnungslegender und wirtschaftsprüfender Berufe, die sich im A4S Accounting Bodies Network (ABN) zusammengeschlossen haben (darunter auch das IDW), mit dem IASB darin übereinstimmen, dass bestehende Standards auf klimabezogene und andere neu aufkommende Risiken anzuwenden sind. Die Berufsorganisationen haben einen Drei-Punkte-Plan entwickelt, mit dem sie ihre Mitglieder aus den rechnungslegenden und prüfenden Berufen bei der Umsetzung der Berichterstattung über Klimarisiken unterstützen, sie verpflichten sich zu folgenden Maßnahmen:
    – Orientierungshilfen der Standardsetter zu den IFRS, zu den ISA und zu den IPSAS über den Umgang mit Klimarisiken verbreiten,
    – ihre Mitglieder in der Umsetzung dieser Orientierungshilfen fortbilden sowie
    – mit den Standardsettern zusammenarbeiten, um eventuelle Lücken der Standards in Bezug auf Klimarisiken zu schließen.
  • Über sog. ESG-Ratings können Mittelständler günstigere Finanzierungskonditionen einwerben. Welche Bedeutung diese ESG-Ratings auf dem Kapitalmarkt haben und wie sie im Rahmen der Unternehmensbewertung wirken, wird ein für den BC-Newsletter in 2021 geplanter Beitrag aufarbeiten. Hier sei kurz nur noch auf Nebenzweige des Klima-Themas hingewiesen. So bietet es sich vor dem Hintergrund coronabedingter Verzichte kurz vor den bevorstehenden Festtagen an, beispielsweise auf das Arbeitsklima in Unternehmen oder spezieller das Raumklima in Büros und das Betriebsklima auf den Fluren einzugehen. Beeinträchtigungen durch ausschweifende Weihnachtsfeiern sind in diesem Jahr aus bekannten Gründen nicht zu erwarten – allerdings auch keine fördernden Wirkungen solcher Events, die also einen Klimawandel im Miteinander zum Besseren herbeiführen könnten.
  • Eventuellen Einwendungen, dies habe mit den Berichterstattungspflichten der Bilanzierungsexperten wenig zu tun, ist schon jetzt entgegenzuhalten, dass Faktoren wie das Betriebsklima zwar üblicherweise nicht der Klimaberichterstattung im engeren Sinne zuzuordnen sind, dafür aber dem weiteren Begriff der Nachhaltigkeitsberichterstattung, in der Aspekte wie die Arbeitszufriedenheit zu den zentralen Faktoren gehören. Statt Weihnachtsfeier und in dieser Zeit natürlich mit dem gehörigen Abstand gilt frei nach Heinz Erhardt bzw. Carsten Bach: „Schenken Sie Ihren Mitarbeitern doch einmal etwas: zum Beispiel ein Ohr. Und hören Sie einfach zu.“ Bei der Reaktion der Führungskräfte auf das Gehörte hilft kein Geringerer als unser (Ur-)Altkanzler Konrad Adenauer, der schon beizeiten wusste: „Kritiker haben wir genug, was unsere Zeit braucht, sind Menschen, die ermutigen. Dem ist in Zeiten von Corona für 2021 nichts hinzuzufügen.

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

 

BC 1/2021 

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