Dr. Hans-Jürgen Hillmer
BFH-Urteil vom 5.10.2011, I R 94/10
Ein bilanzierender Gewerbetreibender, dem eine Eigentumswohnung gehört und der Zahlungen in eine von der Wohnungseigentümergemeinschaft gebildete Instandhaltungsrückstellung geleistet hat, muss seine Beteiligung an der Instandhaltungsrückstellung mit dem Betrag der geleisteten und noch nicht verbrauchten Einzahlungen aktivieren.
Das Urteil ist auch relevant für die generelle Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine der kaufmännischen Sorgfalt entsprechende Bilanzierung „richtig“ ist.
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Problemstellung
Im Streitfall war eine GmbH Eigentümerin mehrerer Eigentumswohnungen und hatte jeweils Beiträge zu den Instandhaltungsrückstellungen im Sinne des § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG zu leisten. Die von der GmbH vorgenommene Behandlung der Einzahlungen in die Instandhaltungsrückstellungen als Betriebsausgaben wurde vom Finanzamt nicht anerkannt. Das Finanzgericht gelangte sodann zu dem Ergebnis, die Beteiligungen der Klägerin an den von den Wohnungseigentümergemeinschaften gebildeten Instandhaltungsrückstellungen seien Wirtschaftsgüter, die in den Bilanzen der Streitjahre mit den von der Klägerin eingezahlten und noch nicht verbrauchten Beträgen aktiviert werden mussten.
Im Rahmen des daraufhin von der GmbH betriebenen Revisionsverfahrens hatte der BFH folglich zu entscheiden, ob Zuführungen zu Instandhaltungsrückstellungen Wirtschaftsgutcharakter zukommt. Letztlich lief dies im Streitfall auf die Frage hinaus, ob die GmbH bei der von ihr gewählten Vorgehensweise mit der notwendigen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hatte oder nicht.
Lösung
Der BFH lässt in seiner Begründung (unter Berufung auf seine gefestigte Rechtsprechung) keine Zweifel daran aufkommen: Die Beteiligung an der Rückstellung in der Steuerbilanz eines betrieblich beteiligten Wohnungseigentümers muss aktiviert werden. Es handelt sich demnach zum einen um ein Wirtschaftsgut, weil die Beteiligung einen geldwerten Anspruch des Wohnungseigentümers auf Bezahlung von Aufwendungen aus der Instandhaltungsrückstellung vermittelt. Selbst wenn dieser Anspruch zivilrechtlich erst in der Folgezeit entstehen sollte, ist seine Entstehung zumindest hinreichend sicher und (durch die vorausgegangenen Einzahlungen) in der Vergangenheit wirtschaftlich verursacht, was für seine Aktivierung im Grundsatz genügt. Die dabei anzusetzenden Anschaffungskosten entsprechen im Streitfall den von der GmbH geleisteten Einzahlungen.
Der BFH stimmte deshalb der schon vom Finanzgericht vertretenen Auffassung zu, der durch die Einzahlungen erwachsene Aufwand werde durch den Ansatz eines gleichwertigen Wirtschaftsguts kompensiert, soweit die Instandhaltungsrückstellungen nicht bis zum jeweiligen Bilanzstichtag verbraucht worden sind. Das schließe die Annahme aus, dass die nicht verbrauchten Beträge gewinnmindernd zu berücksichtigen sind.
Eine Teilwertabschreibung kam im Streitfall nicht in Betracht, zumal Anhaltspunkte für ein Absinken des Teilwerts weder vom Finanzgericht festgestellt noch von der GmbH geltend gemacht worden waren. Allerdings hatte die GmbH gefordert, die Bewertung mit einem abgezinsten Betrag der Einzahlungen vorzunehmen. Dafür sah der BFH keinen Grund: Zwar entstehen die Ansprüche der Klägerin auf Bezahlung von Aufwendungen erst in künftigen Zeitpunkten. Jedoch wird dieser zeitliche Faktor dadurch kompensiert, dass die Instandhaltungsrückstellungen verzinslich anzulegen sind. Von besonderem Interesse insbesondere für nicht mit dem Streitfall vergleichbare Sachverhalte ist diese BFH-Entscheidung wegen des Vortrags der klagenden GmbH, sie habe bei der Aufstellung ihrer Bilanzen die Aktivierungspflicht weder erkannt noch erkennen müssen. Denn deshalb hat sich der BFH ganz allgemein mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen eine der kaufmännischen Sorgfalt entsprechende Bilanzierung „richtig“ ist, wenn und soweit die bilanzrechtliche Lage im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung ungeklärt ist. Für einen ordentlichen Kaufmann habe es zumindest naheliegen müssen, dass ein aktives Wirtschaftsgut „Beteiligung an der Instandhaltungsrückstellung“ angesetzt werden musste. Wenn die GmbH dies für bilanzrechtlich unzulässig gehalten habe, hätte sie ggf. die in die Rückstellungen eingezahlten Mittel als noch ihrem eigenen Vermögen zugehörig behandeln können. Der BFH wird hier deutlich: „Jedenfalls aber entsprach es nicht kaufmännischer Sorgfalt, die Einzahlungen unkorrigiert als Aufwand zu behandeln.“ In einem solchen Fall könne auch nach dem „subjektiven“ Fehlerbegriff eine Bilanzierung nicht als „richtig“ und für die Finanzbehörde bindend angesehen werden.
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Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld
BC 3/2012
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