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Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Bilanzierung von Verbindlichkeitsrückstellungen

Christian Thurow

Entwurf einer IDW-Stellungnahme (IDW ERS HFA 34) vom 20.3.2012

 

Der Hauptfachausschuss des IDW hat sich in der am 22.3.2012 veröffentlichten Entwurfsfassung seiner Stellungnahme mit „Einzelfragen zur handelsrechtlichen Bilanzierung von Verbindlichkeitsrückstellungen (IDW ERS HFA 34)“ befasst, die seit Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) gebildet werden. Im Folgenden werden wesentliche Punkte des Entwurfs kurz erläutert.

 

 

Praxis-Info!

 

1. Erstmaliger Ansatz der Rückstellung (Tz. 11)

Die Einbuchung einer Rückstellung (z.B. für ausstehende Rechnungen für erbrachte Leistungen, Garantieverpflichtungen, Sozialpläne) hat mittels der sog. Nettomethode zu erfolgen. Dabei erfolgt der erstmalige Ansatz der Rückstellung in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrags (unter Einbeziehung künftiger Preis- und Kostensteigerungen) – ohne Buchung eines Zinsertrags.

Bei der Nettomethode steht eine wirtschaftliche Betrachtungsweise („durchlaufender Posten”) im Vordergrund.

 

 

Hinweis:

Aus der Formulierung „hat ohne Buchung eines Zinsertrags (…) zu erfolgen (Nettomethode)“ lässt sich schließen, dass die sog. Bruttomethode nicht mehr zulässig ist.

  • Bei Anwendung der Nettomethode ist die abgezinste Preissteigerung (Barwert) aufwandswirksam gegen die Rückstellung zu buchen.
  • Nach der Bruttomethode ist die Erhöhung der Rückstellung aufgrund von Preis- und Kostensteigerungen voll als Aufwand zu erfassen. Der Abzinsungsertrag ist hingegen im Finanzergebnis als Zinsertrag auszuweisen.

Zum Unterschied zwischen Brutto- und Nettomethode vgl. Zwirner: „Abzinsung von Rückstellungen (nach BilMoG): Erfüllungszeitpunkt versus Erfüllungszeitraum“, in: BC 3/2011, S. 109 ff. 

 

 

2. Bandbreiten (Tz. 16)

Rückstellungen sind mit ihrem Erfüllungsbetrag (nicht mit dem aktuellen „Verfügungsbetrag”) anzusetzen. Dieser schließt erwartete künftige Preis- und Kostensteigerungen mit ein. Hierzu ist eine Schätzung erforderlich. Bei dieser Schätzung ist eine vernünftige kaufmännische Beurteilung vorzunehmen.

Der im Rahmen der Schätzung gewonnene Wert muss innerhalb einer „plausiblen Bandbreite möglicher Inanspruchnahmen aus der Verpflichtung“ liegen. Die Bandbreite muss realistisch, d.h. weder zu optimistisch noch zu pessimistisch, abgegrenzt werden. Anschließend ist aus der ermittelten Bandbreite der anzusetzende Wert zu bestimmen. Dies hat unter Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips zu erfolgen.

 

 

Hinweis:

Bilanzierende sollten die ermittelten Bandbreiten dokumentieren, um so spätere Diskussionen mit dem Abschlussprüfer zu erleichtern (oder zu vermeiden). Eine reine punktgenaue Einzelberechnung einer schätzungsbehafteten Rückstellung ist nicht vorgesehen. 

 

 

3. Verteilungsrückstellung (Tz. 18-19)

Verteilungsrückstellungen (= echte Ansammlungsrückstellungen) sind Rückstellungen für Verpflichtungen, die zwar rechtlich entstanden sind, die jedoch wirtschaftlich erst in künftigen Geschäftsjahren nach und nach verursacht werden (z.B. Rückbauverpflichtungen). Für sie ist es sachgerecht, eine ratierliche Verteilung der Aufwendungen vorzunehmen. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die wirtschaftlichen Vorteile gleichmäßig über den Rückstellungszeitraum verteilt anfallen. Die ratierliche Verteilung kann mithilfe von zwei verschiedenen Verfahren vorgenommen werden:

  • Beim Barwertverfahren werden die abgezinsten Anteile des Nominalbetrags der Verpflichtung zugeführt. Die Anteile des Nominalbetrags ergeben sich dabei durch Division des Gesamtnominalbetrags der Rückstellung durch die Anzahl der Berichtsperioden. Dieses Verfahren führt zu einem jährlich steigenden operativen Aufwand, da die Zuführung aufgrund der kürzer werdenden Abzinsungsdauer immer höher wird.
  • Beim Gleichverteilungsverfahren erfolgt die Rückstellungszuführung auf Basis einer Annuität (ähnlich einer jährlichen Zahlung zur Tilgung einer Schuld). Bei gleichbleibendem Abzinsungszinssatz führt dieses Verfahren somit zu konstanten operativen Aufwendungen.

 

 

4. Sachleistungsverpflichtung (Tz. 20-23)

Eine Sachleistungsverpflichtung (keine Geldleistungsverpflichtung, z.B. interne Kosten der Erstellung des Jahresabschlusses und der Steuererklärungen, Restrukturierungsvorhaben, umweltschutzrechtliche Auflagen) ist mit ihren im Erfüllungszeitpunkt voraussichtlich anfallenden Vollkosten anzusetzen. Beim Ansatz der Vollkosten ist es unerheblich, ob die entsprechenden Kosten nach § 255 Abs. 2 HGB aktivierungspflichtig oder -fähig wären (Herstellungsobergrenze).

 

 

Beispiel:

Gemäß § 255 Abs. 2 HGB dürfen nur die angemessenen Teile der fertigungsbezogenen Gemeinkosten bei der Ermittlung der Herstellungskosten angesetzt werden. Besteht nun beispielsweise eine Auftragsflaute, aufgrund der nur 40% der Produktionskapazität genutzt werden, dürfen die Gemeinkosten (z.B. des Werteverzehrs des Anlagevermögens) nicht komplett bei der Ermittlung der Herstellungskosten berücksichtigt werden.

Anders verhält es sich hingegen bei der Sachleistungsverpflichtung (z.B. für Deponie-Rekultivierung, Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen): Hier hat der Ansatz zu Vollkosten zu erfolgen, weshalb die vollen, auf die Verpflichtung entfallenden Gemeinkosten angesetzt werden müssen. 

 

 

Entscheidend für die Sachleistungsverpflichtung ist, ob sich der zu liefernde Vermögensgegenstand bereits im Besitz des Unternehmens befindet. In diesem Fall ist die Sachleistungsverpflichtung mit den fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten (zzgl. notwendiger Transaktionskosten) zu bilanzieren. Eine Abzinsung dieser Rückstellung erfolgt auch dann nicht, wenn ihr Erfüllungszeitpunkt länger als ein Jahr entfernt ist.

Zur steuerbilanziellen Bewertung von Sachleistungsrückstellungen siehe hier.

 

 

5. Preis- und Kostenänderungen (Tz. 24-27)

Am Abschlussstichtag erwartete künftige Preis- und Kostensteigerungen spiegeln sich auch in der Höhe des Abzinsungssatzes wider. Von daher dürfen „singuläre Ereignisse nach dem Abschlussstichtag“ (z.B. eine Gesetzesänderung, ein kurzzeitiger Preisverfall) nicht bei der Schätzung künftiger Preis- und Kostensteigerungen berücksichtigt werden, da sie im auf den Abschlussstichtag hin ermittelten Abzinsungssatz nicht berücksichtigt sind. Die vorhersehbaren Preis- und Kostensteigerungen sind hierbei auf Basis von unternehmens- und branchenspezifischen Daten zu ermitteln. Nur wenn dies nicht (mit vertretbarem Aufwand) möglich ist, darf sich die Schätzung am aktuellen Inflationsziel der Europäischen Zentralbank orientieren.

Aufgrund des Vorsichtsprinzips sind erwartete Preis- und Kostensenkungen nur dann anzusetzen, wenn ihr Eintritt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

 

 

6. Nicht aktivierbare und aktivierbare Ansprüche (Tz. 29-32)

Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen (noch) nicht aktivierbare Ersatz- oder Rückgriffsansprüche gegen Dritte (z.B. aus Schadensersatzleistungen oder aus einer Bürgschaftsverpflichtung gegenüber dem Hauptschuldner) rückstellungsmindernd berücksichtigt werden (Nettobilanzierung).

Dagegen sind am Abschlussstichtag bereits entstandene Ersatz- oder Rückgriffsansprüche gegen Dritte als Vermögensgegenstände zu bilanzieren. Eine Saldierung mit der korrespondierenden Rückstellung ist nicht erlaubt (Bruttobilanzierung).

 

 

7. Restlaufzeit der Rückstellung (Tz. 35-45)

Rückstellungen, die nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern über einen bestimmten Zeitraum zu erfüllen sind, sind zum Zweck der Abzinsung in mehrere Teilrückstellungen (sog. "Jahresscheiben") aufzuteilen. Dies kann beispielsweise bei einer Gewährleistungsrückstellung der Fall sein, bei der Leistungen über einen mehrjährigen Gewährleistungszeitraum ungleichmäßig anfallen. Diese Teilrückstellungen sind mit dem jeweiligen laufzeitadäquaten Zinssatz abzuzinsen.

Bei einer nicht-ganzjährigen Restlaufzeit dürfen für die Ermittlung des anzuwendenden Abzinsungssatzes drei verschiedene Methoden angewendet werden:

  1. Monats- oder quartalsgenaue Ermittlung: lineare Interpolation (Bestimmung von Zwischenwerten) zwischen den Zinssätzen der nächstkürzeren und der nächstlängeren Restlaufzeit.

 

Beispiel:

Restlaufzeit 5,5 Jahre. Zinssatz 5 Jahre = 4%; Zinssatz 6 Jahre = 5%. Bei einer monatsgenauen Ermittlung steigt der Zinssatz pro Monat um 8,33 Basispunkte (= 0,083). Somit beträgt der Zinssatz für eine Restlaufzeit von 5,5 Jahren 4,5% (4% + 6 x 0,083). 

 

 

2. Verwendung des Zinssatzes für die ganzjährige Restlaufzeit, die am nächsten Erfüllungszeitpunkt der Rückstellung liegt.

 

Beispiel:

Beispiel wie oben. Hier kann für die Abzinsung der Rückstellung der sechsjährige Zinssatz von 5% angewendet werden. 

 

 

3. Bei Vorliegen einer „normalen“ Zinsstruktur (= steigende Zinssätze bei steigender Laufzeit) kann der Zinssatz der nächstkürzeren ganzjährigen Restlaufzeit verwendet werden.

 

Beispiel: Beispiel wie oben. Hier kann für die Abzinsung der Rückstellung der fünfjährige Zinssatz von 4% angewendet werden.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Operational Risk Manager Corporate Finance, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 4/2012

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