Dr. Hans-Jürgen Hillmer
BFH-Beschluss vom 13.6.2013, X B 27/12
Bei der Frage des Zeitpunkts der Aktivierung einer aufschiebend bedingten Forderung kommt eine Differenzierung zwischen „wirtschaftlicher Betrachtungsweise“ und „Realisationsprinzip“ nicht in Betracht. Die Aktivierung setzt vielmehr die Realisation voraus, die wiederum erfordert, dass die Forderung entweder rechtlich oder doch zumindest wirtschaftlich entstanden ist, wobei dann weiter mit der künftigen rechtlichen Entstehung fest zu rechnen sein muss.
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Problemstellung
In dem zum BFH gelangten Streitfall war die Frage zu beantworten, ob bei der Aktivierbarkeit von Forderungen, deren Erfüllung von einer aufschiebenden Bedingung im Sinne des § 158 BGB abhängt, zwischen dem Prinzip der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und dem Realisationsprinzip zu differenzieren ist, um die Forderungen dem zutreffenden Wirtschaftsjahr zuordnen zu können. Zugrunde lagen Verträge des Klägers (K) mit X über Nutzungsrechte, die wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten des X vorzeitig beendet wurden. Im Gegenzug verpflichtete sich X mit einer in 1988 getroffenen Vereinbarung, einen bestimmten Betrag pro Jahr zu zahlen, wobei die Betragshöhe für die Ausgleichszahlungen gewinnabhängig sein sollte.
Das Finanzgericht (FG) vertrat dazu die Auffassung, das dem K zustehende Recht auf weitere Zahlungen sei von künftigen ungewissen Ereignissen (nämlich dem wiederholten Ausweis eines Gewinns im Jahresabschluss von X) abhängig und somit aufschiebend bedingt gewesen. Im Streitjahr 1988 sei das Recht deshalb noch nicht zu einer zu aktivierenden Forderung erstarkt, da eine solche zu diesem Zeitpunkt weder rechtlich noch unter den Umständen des Streitfalls wirtschaftlich entstanden sei. Zwar seien mit der Vereinbarung aus dem Jahr 1988 die wirtschaftlichen Ursachen für die künftigen Forderungen gesetzt gewesen, deren tatsächliches Entstehen sei jedoch mit dem Risiko behaftet gewesen, dass X nicht die erforderlichen Gewinne erzielen werde. Mit dem Entstehen des Anspruchs habe K zu dieser Zeit auch nicht fest rechnen können.
Lösung
Zur Entscheidungsfindung bezieht sich der BFH auf § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB, wonach Gewinne nur zu berücksichtigen sind, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Eine Gewinnrealisierung tritt ein, wenn eine Forderung entweder rechtlich bereits entstanden ist oder die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen Entstehung der Forderung fest rechnen kann. Demgegenüber kann eine aufschiebend bedingte Forderung in der Regel nicht aktiviert werden, weil sie erst mit Eintritt der Bedingung (= Realisationsereignis) entsteht (§ 158 Abs. 1 BGB). Auch von einer wirtschaftlichen Entstehung kann (dem BFH zufolge) bei einer echten aufschiebenden Bedingung, bei der der Eintritt noch ungewiss ist, nicht ausgegangen werden.
Nur ausnahmsweise komme eine Aktivierung dann in Betracht, wenn die aufschiebend bedingte Forderung im Einzelfall hinreichend konkretisiert erscheint, was angenommen werden kann, wenn der Bedingungseintritt zumindest so gut wie sicher ist. Das war im Streitfall aufgrund der gewinnabhängig gestalteten Betragshöhen für die Ausgleichszahlungen nicht der Fall. Die Einrede des K, das FG hätte deshalb zu dem Ergebnis kommen müssen, seine gesamte Forderung sei in der Vergangenheit rechtlich entstanden, wirtschaftlich verursacht und damit als realisiert zu aktivieren gewesen, lehnte der BFH ab. Auf die vom FG als maßgeblich herangezogene Tatsache, X habe nur aus künftigen Gewinnen zu zahlen gehabt, komme es entgegen der Ansicht des K eben gerade doch an.
Der BFH hält den entschiedenen Fall für nicht vergleichbar mit einer sog. „aufschiebend bedingten Entfallensklausel“, wonach ein Zinsanspruch, der ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr betrifft, auch dann in der Bilanz des Gläubigers zu aktivieren ist, wenn nach den Genussrechtsbedingungen der Schuldner die Ansprüche nicht zu bedienen hat, solange hierdurch bei ihm ein Bilanzverlust entstehen oder sich erhöhen würde. Die mögliche Entstehung eines Bilanzverlusts sollte sich mithin nicht auf die Entstehung, sondern nur auf die Fälligkeit des Zinsanspruchs auswirken. Demgegenüber handle es sich im Streitfall bei der relevanten Vereinbarung aber gerade anders um eine erst aufschiebend bedingte Forderung. In verfahrensrechtlicher Hinsicht befasste sich der BFH in seinem Beschluss noch ausführlich mit der Rüge eines übergangenen Beweisantrags und kommt zu dem Ergebnis, dass ein Verstoß des FG gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) nicht vorliege. Von den Verfahrensbeteiligten angebotene (substanziierte) Beweise müsse das FG grundsätzlich erheben, wenn es einen Verfahrensmangel vermeiden will. Auf die beantragte Beweiserhebung könne es aber verzichten, wenn – es auf das Beweismittel für die Entscheidung nicht ankommt oder das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsachen unterstellt, – das Beweismittel nicht erreichbar ist oder – völlig ungeeignet ist, den Beweis zu erbringen.
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Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld
BC 10/2013
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