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Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Aktivierung eines Vorsteuererstattungsanspruchs

BC-Redaktion

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 8.7.2013, 6 K 2874/12 (Revision zugelassen, Az. BFH: I R 59/13)

 

Wird der Vorsteuererstattungsanspruch vom Finanzamt bestritten, ist nach dem Vorsichtsprinzip die Forderung in der Bilanz des Unternehmers nicht zu aktivieren.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Eine Aktiengesellschaft (AG) machte im Zusammenhang mit ihrem Börsengang die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Dabei wurde u.a. auf ein beim Europäischen Gerichtshof (EuGH – Az. C-465/03) anhängiges Verfahren hingewiesen. Der EuGH entschied dieses Verfahren im Sinne der AG am 26.5.2005; das Bundesfinanzministerium (BMF) erklärte mit Schreiben vom 4.10.2006 (BStBl. I 2006, S. 614) dieses EuGH-Urteil für anwendbar.

Zum 30.4.2007 buchte die AG den Vorsteuererstattungsanspruch zuzüglich festgesetzter Zinsen ein. Begründung: Für die Aktivierung des Anspruchs komme es auf die Veröffentlichung der EuGH-Entscheidung im Bundessteuerblatt an (siehe auch das spätere BFH-Urteil vom 31.8.2011, X R 19/10, BStBl. II 2012, 190).

Das Finanzamt erkannte zunächst – vor Bekanntgabe des EuGH-Urteils – den Vorsteuerabzug (mit Umsatzsteuerbescheid vom 2.3.2004) nicht an. Das genannte Urteil betreffe ein Verfahren vor den österreichischen Gerichten und habe daher keine unmittelbare Wirkung auf die Rechtsanwendung in Deutschland. Nachdem allerdings das BMF mit Schreiben vom 4.10.2006 das EuGH-Urteil für anwendbar erklärte, hatte das Finanzamt mit Bescheid vom 26.4.2007 den Vorsteuerabzug durch die AG zugestanden.

Wegen des abweichenden Wirtschaftsjahrs der AG vom 1.10. bis 30.9. setzte das Finanzamt jedoch den Vorsteuererstattungsanspruch zuzüglich der bis zum 30.9.2006 angefallenen Zinsen bereits zum Bilanzstichtag 30.9.2006 als Aktivposten an. Grund: Das EuGH-Urteil vom 26.5.2005 sei der AG bereits zum 30.9.2006 bekannt gewesen bzw. hätte es sein müssen. 

 

 

Lösung

Der Ansatz der Forderung auf Vorsteuererstattung sowie des zugehörigen Zinsanspruchs zum 30.9.2006 ist unzulässig. Der Vorsteuererstattungsanspruch sowie die hieraus resultierenden Erstattungszinsen sind erst zum 30.9.2007 zu erfassen.

Nach dem auch steuerrechtlich zu beachtenden Vorsichtsprinzip des Handelsbilanzrechts (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG) dürfen Forderungen, die in vollem Umfang bestritten werden, erst dann aktiviert und als realisierte Erträge erfasst werden, wenn (und soweit) sie entweder rechtskräftig festgestellt oder vom Schuldner (hier dem Finanzamt) anerkannt worden sind. Ferner können Steuererstattungsansprüche nur dann in der Bilanz ausgewiesen werden, wenn sie einen durchsetzbaren gegenwärtigen Vermögenswert verkörpern. Das heißt: Wenn und solange die Ansprüche vom Finanzamt bestritten werden bzw. die Finanzverwaltung insgesamt eine der Entstehung eines Erstattungsanspruchs entgegenstehende Rechtsauffassung vertritt, sind diese Forderungen nicht hinreichend sicher und wirtschaftlich durchsetzbar.

Maßgebend bei der Aktivierung von Vermögensgegenständen in der Handelsbilanz und damit der Wirtschaftsgüter in der Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) sind in erster Linie nicht die rechtlichen, sondern die wirtschaftlichen Gesichtspunkte.

Rechtskräftige Urteile, die dem Gläubiger eine bis dahin bestrittene Forderung zusprechen, wirken auf deren Aktivierung nicht werterhellend, sondern wertbegründend ein.

 

 

 

Praxishinweise:

Bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens beim BFH (Az. BFH: I R 59/13) sollten Einspruchsverfahren in vergleichbaren Fällen offengehalten werden.

Die zu zahlende Vorsteuer ist eine Forderung an das Finanzamt; sie wird auf dem aktiven Bestandskonto Vorsteuer verbucht.

In der Praxis wird für gewöhnlich jeden Monat der Saldo des Kontos Vorsteuer mit der Umsatzsteuer verrechnet, um die Umsatzsteuervorauszahlungen zu ermitteln (Umsatzsteuer > Vorsteuer). Buchungstechnisch wird diese Verrechnung durch Übertragung oder Umbuchung der Vorsteuer auf das Umsatzsteuerkonto durchgeführt (Saldierung). Die so ermittelte Zahllast hat das Unternehmen an das Finanzamt zu überweisen.

 

Umbuchung der Vorsteuer am Monatsende:

 

Umsatzsteuer

an

Vorsteuer

 

Überweisung der Umsatzsteuerzahllast zum 10. des Folgemonats:

 

Umsatzsteuersaldo

an

Bank

 

Die im letzten Monat eines Geschäftsjahres ermittelte Umsatzsteuerzahllast wird passiviert; das Umsatzsteuerkonto wird dabei über das Schlussbilanzkonto abgeschlossen.

 

Passivierung der Umsatzsteuerzahllast zum Geschäftsjahresende:

 

Umsatzsteuersaldo

an

Schlussbilanzkonto

 

Bezogen auf den vorliegenden Streitfall bedeutet das: Der aktivierte Vorsteuererstattungsanspruch zum 30.9.2007 müsste nach derselben Vorgehensweise wie oben auf das Umsatzsteuerkonto übertragen bzw. umgebucht werden. In der Folge würde sich die Umsatzsteuerzahllast der AG entsprechend verringern, außer es entsteht ein Vorsteuerüberhang (Vorsteuer > Umsatzsteuer). Im letzteren Fall wäre der Saldo des Umsatzsteuerkontos am Ende des Wirtschaftsjahres (30.9.2007) über das Vorsteuerkonto abzuschließen.

 

Umbuchung der Umsatzsteuer zum Ende des Wirtschaftsjahres:

 

Umsatzsteuer

an

Vorsteuer

 

Aktivierung der Umsatzsteuerforderung zum Geschäftsjahresende:

 

Schlussbilanzkonto

an

Vorsteuersaldo

 

 
[Anm. d. Red.]

 

 

BC 3/2014

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