FG Münster, Urteil vom 17.11.2014, 5 K 2396/13 G,F (Revision zugelassen)
Selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter (Firmenwert und Auftragsbestand) dürfen (gemäß § 14 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 UmwStG 1995) bei einem Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft aktiviert werden. Das Aktivierungsverbot nach § 5 Abs. 2 EStG findet in diesem Fall keine Anwendung.
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Problemstellung
Streitig ist, ob nach formwechselnder Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft in der Eröffnungsbilanz der neu gegründeten Personengesellschaft selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter aktiviert werden dürfen.
Eine GmbH (nachfolgend: Z. GmbH) wurde zum 1.7.2004 nach den Vorschriften der §§ 190 ff. UmwG in eine GmbH & Co. KG umgewandelt.
Die Z. GmbH aktivierte in ihrer Schlussbilanz auf den 30.6.2004 erstmals
- einen selbstgeschaffenen Firmenwert in Höhe von 600.000 € sowie
- einen Auftragsbestand in Höhe von 100.000 €.
Trotz der gewinnerhöhenden Zuschreibungen auf Firmenwert und Auftragsbestand ergab sich für die Z. GmbH aufgrund des vorhandenen Verlustvortrags eine festzusetzende Körperschaftsteuer von 0 €.
Das Finanzamt sah die Zuschreibungen der Z. GmbH als unzulässig an. Der selbstgeschaffene Firmenwert und der Auftragsbestand seien (gemäß § 5 Abs. 2 EStG) nicht aktivierungsfähig.
In der Eröffnungsbilanz der GmbH & Co. KG auf den 1.7.2004 waren der selbstgeschaffene Firmenwert und der Auftragsbestand korrespondierend zu der Schlussbilanz der Z. GmbH ausgewiesen. Im Rumpfgeschäftsjahr 2004 nahm die GmbH & Co. KG eine Abschreibung auf den Firmenwert in Höhe von 20.010 € und in den Geschäftsjahren 2005 und 2006 in Höhe von jeweils 40.020 € vor. Den mit 100.000 € aktivierten Auftragsbestand löste die GmbH & Co. KG noch im Rumpfgeschäftsjahr 2004 gewinnmindernd auf.
Auch vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass der selbstgeschaffene Firmenwert und der Auftragsbestand sowohl in der Schlussbilanz der Z. GmbH als auch in der Eröffnungsbilanz der GmbH & Co. KG zu streichen seien. Dementsprechend seien die Abschreibungen auf den Firmenwert und die Auflösung des Auftragsbestands rückgängig zu machen und der Gewinn der GmbH & Co. KG entsprechend zu erhöhen.
Die der Z. GmbH berief sich hingegen auf § 3 Abs. 1 UmwStG 1995: Danach darf die übertragende Körperschaft die Wirtschaftsgüter in ihrer steuerlichen Schlussbilanz mit dem Buchwert oder einem höheren Wert ansetzen. Das Aktivierungsverbot für selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter gemäß § 5 Abs. 2 EStG finde im Rahmen eines Formwechsels bei Aufstellung der Schlussbilanz keine Anwendung.
Lösung
In der Eröffnungsbilanz der GmbH & Co. KG auf den 1.7.2014 waren (gemäß § 14 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 UmwStG 1995) der Firmenwert in Höhe von 600.000 € und der Auftragsbestand in Höhe von 100.000 € zu aktivieren. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb bzw. des Gewerbeertrags sind die gewinnmindernde Auflösung der Bilanzposition „Auftragsbestand“ im Jahr 2004 und die Abschreibungen auf den Firmenwert in den Jahren 2004 bis 2006 anzuerkennen.
Dem steht nicht entgegen, dass gegenüber der Z. GmbH Steuerbescheide für 2004 ergangen sind, in welchem das Finanzamt die Zuschreibungen auf den Firmenwert und den Auftragsbestand nicht anerkannt hat. Der übernehmende Rechtsträger ist an den Ansatz der übertragenden Körperschaft gebunden. Wenn der Bilanzansatz bei der übertragenden Körperschaft unzutreffend war, kann allerdings in der Eröffnungsbilanz der übernehmenden Personengesellschaft diese den Bilanzierungsfehler, der sich bei ihr bislang nicht ausgewirkt hat, berichtigen.
Das Verbot der Aktivierung selbstgeschaffener Wirtschaftsgüter gemäß § 5 Abs. 2 EStG findet im Rahmen des Formwechsels einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft keine Anwendung. Entgegen der Auffassung des Finanzamts ist nicht ersichtlich, weshalb der Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft in Bezug auf die Aktivierung selbstgeschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter anders behandelt werden sollte als der Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft.
Im vorliegenden Fall durfte die GmbH & Co. KG zudem die Bilanzposition „Auftragsbestand“ im Jahr 2004 gewinnmindernd auflösen. Denn der im Rahmen des Formwechsels übergegangene Auftragsbestand ist noch im Jahr 2004 verbraucht worden. Die Abschreibung des Firmenwerts ist durch die GmbH & Co. KG zutreffend gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG vorgenommen worden.
- Die übernehmende Personengesellschaft oder natürliche Person hat in ihrer Übernahmebilanz die Bilanzansätze aus der Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft zu übernehmen (Wertverknüpfung). Durch die Anknüpfung an die Schlussbilanz kommen dem übernehmenden Rechtsträger die steuerlichen Wahlrechte des übertragenden Rechtsträgers zugute. Auf der Ebene der übernehmenden Personengesellschaft können also auch gemeine Werte, Buchwerte oder Zwischenwerte zum Ansatz gebracht werden, wenn dies in der Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft so angelegt wurde. Eine Bindung an die Handelsbilanz besteht für die Übernahmebilanz hingegen nicht.
- Auch hinsichtlich der Abschreibungen tritt der übernehmende Rechtsträger regelmäßig in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers ein. Das bedeutet im Einzelnen: Die (gegebenenfalls aufgestockten) Werte in der Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers sind zu übernehmen. An einer gewählten Abschreibungsmethode muss festgehalten werden, soweit das Steuerrecht keinen Wechsel der Abschreibungsmethode zulässt. Beim Ansatz der Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert oder einem Zwischenwert ist die Nutzungsdauer neu zu ermitteln.
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[Anm. d. Red.]
BC 6/2015
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