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Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Gewinnrealisierung bei Abschlagszahlungen

Christian Thurow

BFH-Urteil vom 14.5.2014, VIII R 25/11

 

Bei einer Dienst- bzw. Werkleistung findet die Umsatzrealisierung für gewöhnlich zum Zeitpunkt von Übergabe und Abnahme des Werkes statt. Sonderregelungen, wie z.B. Gebührenordnungen, können jedoch einen früheren Gewinnrealisierungszeitpunkt bewirken, wie der BFH zu seinem am 8.10.2014 veröffentlichten Urteil darlegt.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Ein Ingenieurbüro für Bautechnik aktivierte in seiner Bilanz diverse unfertige Leistungen und passivierte erhaltene Anzahlungen. Bei den erhaltenen Anzahlungen handelte es sich um Abschlagszahlungen.

Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung kam das Finanzamt zu dem Schluss, dass ein Großteil der unfertigen Leistungen bereits wirtschaftlich erfüllt sei und somit eine Gewinnrealisierung vorzunehmen ist. Das erstinstanzliche Finanzgericht folgte der Auffassung der Finanzbehörde.

In der Revision macht das Ingenieurbüro geltend, weder eine Honorarabschlussrechnung gestellt noch die Planungsleistung vom Bauherrn abgenommen zu haben. Somit sei die Dienstleistung wirtschaftlich nicht erfüllt. Eine Gewinnrealisierung könne daher nicht stattfinden.

 

 

Lösung

Der BFH widerspricht in seinem Urteil der Auffassung der Klägerin (dem Ingenieurbüro). Richtig ist: Eine Gewinnrealisierung erfolgt nur dann, wenn eine Leistung wirtschaftlich erfüllt wurde. Bei Werkverträgen (im Sinne des § 631 BGB) bedarf es zur wirtschaftlichen Erfüllung grundsätzlich der Übergabe des Werkes an und der Abnahme durch den Besteller.

Allerdings können Sonderregelungen, wie z.B. Gebührenordnungen, den Entstehungszeitpunkt des Entgeltanspruchs verändern. Im vorliegenden Fall ist hier auf die „Honorarordnung für Architekten und Ingenieure“ (HOAI) abzustellen. Nach § 8 Abs. 2 HOAI in der im Streitjahr geltenden Fassung hat der Werkunternehmer in angemessenen zeitlichen Abständen einen Anspruch auf Abschlagszahlungen für bereits nachgewiesene Leistungen. Dieser Anspruch setzt weder eine (Teil)Abnahme des Werkes noch die Stellung einer Honorarabschlussrechnung voraus. Eine Rückforderung von geleisteten Abschlagszahlungen ist ausgeschlossen, wenn der Auftragnehmer mittels einer Honorarabschlussrechnung nachweisen kann, dass der Honoraranspruch in der bereits abgerechneten Höhe entstanden ist. Somit besteht kein Grund, Abschlagszahlungen im Sinne der HOAI wie Anzahlungen auf schwebende Geschäfte zu bilanzieren. Die vereinnahmten Abschlagszahlungen sind vielmehr gewinnrealisierend zu erfassen.

 

 

Praxishinweise:

  • Das Urteil bezieht sich auf eine ältere Fassung der HOAI. In der aktuell geltenden Fassung sind Abschlagszahlungen in § 15 Abs. 2 HOAI geregelt. Auch hier können Abschlagszahlungen in angemessenen zeitlichen Abständen für nachgewiesene Grundleistungen gefordert werden.
  • Neben der HOAI gibt es weitere Gebührenordnungen wie z.B. die Rechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) bzw. das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) oder die Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV). Hier ist im Einzelfall zu prüfen, ob abweichende Entstehungszeitpunkte des Entgeltanspruchs in der Gebührenordnung geregelt sind. So wird gemäß § 7 StBVV die Vergütung des Steuerberaters fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendigt ist. Allerdings kann der Steuerberater (gemäß § 8 StBVV) von seinem Auftraggeber einen angemessenen Vorschuss für die entstandenen und die voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen fordern. Bei einem Vorschuss für die voraussichtlich entstehenden Gebühren kann keine Gewinnrealisierung vorliegen, da die Leistungen noch nicht erbracht worden sind. Anders verhält es sich, wenn die Gebühren bereits entstanden sind: Hier lässt sich die vom BFH im oben genannten Urteil verwendete Argumentation zur HOAI auf die StBVV übertragen. Erfolgt ein Vorschuss sowohl für entstandene als auch für noch zu entstehende Gebühren, ist eine Aufteilung vorzunehmen. Der Vorschuss für entstandene Gebühren ist als Gewinn zu realisieren, der Vorschuss für noch zu entstehende Gebühren dagegen als Anzahlung zu passivieren.

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Lead Auditor Europe in der Internen Revision, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

BC 11/2014

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