BFH-Beschluss vom 6.10.2009, I R 4/08
Unverzinsliche Gesellschafterdarlehen sind nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG abzuzinsen. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn sie aus handelsrechtlicher Sicht eigenkapitalersetzenden Charakter haben.
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Problemstellung
Einer GmbH wurde im Jahr 1998 von ihrem alleinigen Gesellschafter ein Darlehen gewährt, das der Finanzierung einer zu erwerbenden Beteiligung dienen sollte. Ein schriftlicher Darlehensvertrag wurde in diesem Zusammenhang erst im Jahr 2005 geschlossen; dieser sieht eine Verzinsung des Darlehens mit 1% vom 1.1.2004 an vor. In der Bilanz zum 31.12.1998 wurde hierzu die Darlehensverbindlichkeit mit dem Rückzahlungsbetrag passiviert; eine Verzinsung erfolgte nicht. Einer der Gründe hierfür: Das Gesellschafterdarlehen sei auf unbestimmte Zeit gewährt worden und habe daher mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden können, weshalb es als Darlehen mit einer Laufzeit von weniger als 12 Monaten anzusehen sei.
Nach Auffassung des Finanzamts sind jedoch die „unverzinslichen“ Darlehensverbindlichkeiten der GmbH gegenüber ihrem Gesellschafter abzuzinsen. Im Rahmen einer Schlussbesprechung zur steuerlichen Betriebsprüfung (für die Wirtschaftsjahre 1999 bis 2001 und 2003) wurde festgelegt, das Darlehen unter Annahme einer Laufzeit von sieben Jahren abzuzinsen.
Nach erfolglosem Einspruch klagte hiergegen die GmbH.
Lösung
Das Gesellschafterdarlehen unterliegt zu Recht dem Abzinsungsgebot (gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG). Danach sind Verbindlichkeiten mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen, es sei denn, die Laufzeit der Verbindlichkeiten beträgt am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG).
Bei Darlehen mit unbestimmter Laufzeit ist ausschlaggebend, für welchen Zeitraum der Schuldner nach den tatsächlichen (wirtschaftlichen) Verhältnissen mit der Überlassung des Kapitals rechnen kann. Die zivilrechtliche Ausgangslage allein, d.h. die rein formale Kündigungsmöglichkeit, ist nicht maßgebend.
Auch die Argumentation, die Unverzinslichkeit eines Gesellschafterdarlehens werde wirtschaftlich durch erhöhte Ausschüttungen an den Gesellschafter ausgeglichen, spricht nicht gegen die erforderliche Abzinsung. Dies gilt gleichermaßen für die Unterscheidung, ob das Gesellschafterdarlehen als eigenkapitalersetzend (im Sinne des § 32a des GmbHG) anzusehen ist oder nicht. Eigenkapitalersetzende Darlehen stellen sowohl aus steuerrechtlicher als auch zivilrechtlicher Sicht für die Kapitalgesellschaft Fremdkapital dar.
- Verbindlichkeiten sind (gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG) mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen; davon betroffen sind auch Verbindlichkeiten gegenüber einem Gesellschafter. Ausgenommen von der Abzinsung sind lediglich
– Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt, und – Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen. - Auch eigenkapitalersetzende Darlehen sind von der Abzinsung (nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG) betroffen. Grund: Eigenkapitalersetzend zur Verfügung gestellte Beträge sind steuerbilanziell nicht als Eigenkapital des Schuldners (der GmbH) zu behandeln, sondern weiterhin als Fremdkapital auszuweisen. Bilanzrechtlich – bezogen auf die Handels- und Steuerbilanz – bleiben selbst Gesellschafterdarlehen mit einfachem oder qualifiziertem Rangrücktritt Fremdkapital. Die (gewinnerhöhende) Ausbuchung einer solchen Verbindlichkeit kommt nur dann in Betracht, wenn der Gesellschafter (Gläubiger) der Kapitalgesellschaft (Schuldner) die Verbindlichkeit erlässt (Forderungsverzicht) oder die Verbindlichkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden muss.
- Sofern die Verbindlichkeit nur aus künftigen Gewinnen zurückgezahlt werden soll, ist (gemäß § 5 Abs. 2a EStG) das Rangrücktrittsdarlehen zu Gunsten des Ergebnisses aufzulösen. In diesem Fall kommt (zumindest aus steuerlicher Sicht) die Rangrücktrittsvereinbarung einem Forderungsverzicht mit Besserungsvereinbarung gleich. Dies führt zu einer gewinnerhöhenden Ausbuchung der Verbindlichkeit mit Wiedereinbuchung im Besserungsfall.
- Der Vorteil einer unentgeltlichen Kapitalüberlassung durch ihren Gesellschafter (als Gläubiger) wird bei der Kapitalgesellschaft (als Schuldnerin) durch die Abzinsung tatsächlich einer Besteuerung unterworfen, während die Gewährung von Eigenkapital nicht steuerpflichtig wäre. Der sich aus der Abzinsung der Darlehensverbindlichkeit ergebende Gewinn darf auch nicht durch die Annahme einer Einlage neutralisiert werden. Denn einlagefähig sind nur Wirtschaftsgüter; die unentgeltliche Nutzungsüberlassung von Kapital ist kein solches einlagefähiges Wirtschaftsgut. Die Gewährung des unverzinslichen Darlehens führt lediglich zu einer Aufwandsersparnis bei der Kapitalgesellschaft als Schuldnerin.
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[Anm. d. Red.]
Heft 1/2010
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