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Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Wirtschaftliche Zurechnung bei Wertpapiergeschäften

Christian Thurow

BMF-Schreiben vom 11.11.2016, IV C 6 – S 2134/10/10003-02; DOK 2016/1026048

 

 

Wertpapierdarlehen (Wertpapierleihe)

Das Wertpapierdarlehen ist ein Sachdarlehen, bei dem sich der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer Wertpapiere (z.B. Aktien) zu überlassen. Umgekehrt verpflichtet sich der Darlehensnehmer zur Zahlung eines Darlehensentgelts und bei Fälligkeit des Darlehens zur Rückerstattung der überlassenen Wertpapiere (Sachen gleicher Art, Güte und Menge). Das wirtschaftliche Eigentum an den Wertpapieren geht zu dem Zeitpunkt auf den Darlehensnehmer über, ab dem er über die Wertpapiere verfügen kann. Dies ist in der Regel der Zeitpunkt, an dem Besitz, Gefahr, Kursrisiken und Kurschancen auf den Darlehensnehmer übergehen.

 

 

Bilanzierung des Wertpapierdarlehens

Beim Darlehensgeber ist zum Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums anstatt des Wertpapiers eine Forderung auf Lieferung von Wertpapieren gleicher Art, Güte und Menge zu bilanzieren. Diese Sachforderung ist mit dem Buchwert der hingegebenen Wertpapiere zu erfassen. Stille Reserven sind dabei nicht aufzudecken.

 

 

Beispiel:

Die A-GmbH erwarb vor Jahren 100 Aktien der B-AG zum Wert von 10 € je Aktie. Mittlerweile liegt der Kurs der Aktie bei 15 €. Gemäß der Anschaffungskostenobergrenze werden die Aktien weiterhin mit 10 € im Finanzanlagevermögen bilanziert.

Verleiht die A-GmbH die Aktien nun an die C-GmbH, so ist eine Forderung in Höhe von 10 € je Aktie zu erfassen. Die stillen Reserven von 5 € je Aktie sind nicht aufzudecken.

 

 

 Beim Darlehensnehmer ist mit Zugang der Wertpapiere eine Passivierung der Lieferverpflichtung vorzunehmen.

 

 

Sonderfall: Wirtschaftliche Zurechnung beim Darlehensgeber gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO

Unter bestimmten Voraussetzungen sind die Wertpapiere im Falle eines Wertpapierdarlehens weiterhin beim Darlehensgeber zu bilanzieren. Dies geht auch aus dem BFH-Urteil vom 18.8.2015 (I R 88/13) hervor. Obwohl das zivilrechtliche Eigentum an den Wertpapieren auf den Darlehensnehmer übergeht, verbleibt das wirtschaftliche Eigentum – und damit die Bilanzierungspflicht – beim Darlehensgeber. Folgende Kriterien sprechen für das Vorliegen dieses Sonderfalls:

  • Die Wertpapiere werden nur für einen kurzen Zeitraum (weniger als 45 Tage) über den Dividendenstichtag hinaus übertragen.
  • Bei der Bemessung des Gesamtentgelts wird ein Steuervorteil für die Parteien oder Dritte berücksichtigt.
  • Dem Darlehensnehmer entsteht durch das Geschäft (inklusive der Dividendenzahlung) kein Liquiditätsvorteil.
  • Der Darlehensnehmer darf aufgrund vertraglicher Regelungen kein Stimmrecht ausüben.
  • Der Darlehensnehmer ist in einer „schwachen Rechtsposition“, da der Darlehensgeber das Darlehen jederzeit bzw. mit nur kurzer Frist kündigen kann.

Sind die Wertpapiere weiterhin beim Darlehensgeber zu bilanzieren, so hat dieser auch die Dividendenerträge zu erfassen und zu versteuern.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Vice President Audit, Operations & Reporting, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 12/2016

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