BFH-Urteil vom 7.6.2018, IV R 37/15
– Hat ein Steuerpflichtiger zunächst ein mit einem dinglichen Recht belastetes Grundstück erworben und löst er dieses später ab, um das Grundstück zu nicht mehr durch das Recht belasteten Zwecken nutzen zu können, sind die Aufwendungen zur Beseitigung der dinglichen Belastung nachträgliche Anschaffungskosten auf den Grund und Boden.
– Es spielt für das Vorliegen von Anschaffungskosten grundsätzlich keine Rolle, ob die beseitigten Einschränkungen in der Nutzbarkeit des Grundstücks öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Art sind.
Praxis-Info!
Problemstellung
Eine GmbH & Co. KG hatte bis zu ihrer Auflösung ein Kieswerk betrieben und Baustoffe (insbesondere Sand, Schotter und Kies) verkauft. Beteiligt an dem Unternehmen waren im Streitjahr 2007 als Komplementärin die X-Beteiligungs-GmbH und als Kommanditistin die Y-GmbH & Co. Holding KG (Holding-KG).
Die GmbH & Co. KG erwarb 1985 und 1986 zwei Flurstücke (nachfolgend: das Grundstück) von der Stadt S. Hierbei verpflichtete sich das Unternehmen in den Kaufverträgen, keine Supermärkte, Discountgeschäfte oder ähnlich ausgerichtete Handelsbetriebe auf dem Grundstück zu betreiben. Zur Sicherung dieser Verpflichtung wurde eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit für S in das Grundbuch eingetragen. Die GmbH & Co. KG nutzte das Grundstück als Abstellplatz für Lkw und die dazugehörende Verwaltung.
Im Jahr 2002 übertrug die GmbH & Co. KG das Grundstück unentgeltlich zu Buchwerten auf die Holding-KG, die die bisherige Nutzung beibehielt. Das Grundstück wurde in der Sonderbilanz der Holding-KG bei der GmbH & Co. KG geführt.
Mittels eines Erbbaurechtsvertrags bestellte die Holding-KG im Jahr 2005 der Q-KG ein Erbbaurecht an dem Grundstück – für einen jährlichen Erbbauzins von 96.000 €. Demnach war die Q-KG berechtigt, auf dem Grundstück einen Lebensmittelmarkt samt Nebengebäuden und Parkplätzen zu errichten und zu betreiben. In dem Erbbaurechtsvertrag wurde auf die bestehende beschränkte persönliche Dienstbarkeit der S hingewiesen.
Im Jahr 2007 schloss die Holding-KG mit der Stadt S einen städtebaulichen Vertrag. Darin verpflichtete sich S zunächst, den für das Grundstück geltenden Bebauungsplan, demgemäß die Genehmigung von Einzelhandelsbetrieben zum damaligen Zeitpunkt unzulässig war, zu ändern. Durch die Änderung des geltenden Bebauungsplans sollte die Errichtung eines Lebensmittelmarkts auf dem Grundstück ermöglicht werden.
Die Holding-KG verpflichtete sich im Gegenzug, die Kosten und sonstigen Aufwendungen für die Aufstellung des Bebauungsplans zu übernehmen und hierfür einen Kostenbeitrag von 10.000 € zu leisten. Weiterhin verpflichtete sich S, auch die beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten betreffend die Verpflichtung der Holding-KG, keine Supermärkte, Discountgeschäfte oder ähnlich ausgerichtete Handelsbetriebe zu errichten, aufzuheben und diese Rechte zu löschen. Dafür hatte die Holding-KG eine Entschädigung an S in Höhe von 30.000 € zu zahlen. Die Holding-KG bezahlte die vereinbarten 40.000 € an S. Die Q-KG errichtete den Lebensmittelmarkt auf dem Grundstück.
Die GmbH & Co. KG behandelte die Zahlung an S als Sonderbetriebsaufwand der Holding-KG für das Streitjahr. Begründung: Das Grundstück sei bereits betriebsbereit gewesen; durch den Abschluss des Erbbaurechtsvertrags habe es seine Betriebsbereitschaft nicht verloren. Bei den hier getätigten Aufwendungen handle es sich nicht um grundstücksbezogene Maßnahmen, wie etwa bei der Erschließung eines Grundstücks durch eine weitere Zufahrt.
Nach Auffassung des Finanzamts darf demgegenüber die Zahlung der Holding-KG in Höhe von 40.000 € nicht als Sonderbetriebsausgaben abgezogen werden, sondern ist als Anschaffungskosten des Grund und Bodens zu aktivieren.
Lösung
Bei der Zahlung der Holding-KG in Höhe von 40.000 € liegen nachträgliche Anschaffungskosten für das Grundstück vor.
Anschaffungskosten sind (gemäß § 255 Abs. 1 HGB) diejenigen Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten.
Ein Wirtschaftsgut ist betriebsbereit, wenn es entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann. Zu den Anschaffungskosten zählen daher auch die Aufwendungen, die erforderlich sind, um das Wirtschaftsgut bestimmungsgemäß nutzen zu können. Die Art und Weise, wie das Wirtschaftsgut genutzt werden soll, bestimmt der Erwerber.
Der Zweck der Nutzung stellt auf die konkrete Art und Weise, in der der Erwerber das Grundstück zur Einkünfteerzielung nutzen will, ab. Für Grund und Boden wird dessen Betriebsbereitschaft alleine durch seinen Zustand und deshalb durch grundstücksbezogene Kriterien bestimmt, insbesondere durch
- Größe,
- Lage,
- Zuschnitt,
- Erschließung und
- Grad der Bebaubarkeit.
Verändern sich diese Merkmale und geht dies mit einer wesentlichen Verbesserung des Grund und Bodens und damit auch mit einer Werterhöhung einher, so sind (nachträgliche) Anschaffungskosten anzunehmen.
Zu den nachträglichen Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehören auch - die Kosten für die erstmalige Erschließung oder
- Aufwendungen, die einem Eigentümer durch Abgabe von Grundstücksflächen entstehen, für die er – im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Umlegungsverfahrens – durch Änderung der Bauleitplanung eine (geänderte) Bebaubarkeit seiner Grundstücke erhält.
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Werden Aufwendungen getätigt, um rechtliche Beschränkungen des Eigentumsrechts zu verändern, so werden nachträgliche Anschaffungskosten auf den Grund und Boden etwa dann angenommen, wenn ein Steuerpflichtiger zunächst ein mit einem dinglichen Nutzungsrecht belastetes Grundstück erworben hat, dieses Nutzungsrecht später jedoch ablöst und damit die Beschränkung seines Eigentums beseitigt. Es spielt hierbei grundsätzlich keine Rolle, ob die getragenen Kosten zur erhöhten Nutzbarkeit des Grund und Bodens für die Beseitigung von Beschränkungen aufgewendet werden, die öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich begründet sind.
[Anm. d. Red.]
BC 9/2018
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