FG Münster, Urteil vom 5.12.2018, 13 K 2688/15 K (Revision zugelassen)
Aufwandsrückstellungen dürfen steuerlich nicht bilanziert werden. Doch bedeutet dies im Umkehrschluss, dass jede Außenverpflichtung automatisch eine Rückstellungsbildung rechtfertigt? Das Finanzgericht (FG) Münster hat da seine Zweifel.
Praxis-Info!
Problemstellung
Die Klägerin betrieb einen Spezialgerüstbau für Großindustrieanlagen. Hierzu ging sie mit ihren Kunden mehrjährige Rahmenverträge ein. Um effizienter operieren zu können, errichtete die Klägerin bei mehreren Kunden vor Ort ein Materiallager. Die Klägerin war in diesen Fällen vertraglich verpflichtet, das Materiallager zum Vertragsende vollständig zu räumen. Für den beim Abtransport des Materials anfallenden Aufwand bildete die Klägerin eine Rückstellung.
Das Finanzamt erkannte die Rückstellung nicht an. Aufgrund des Materialwerts bestand aus Sicht der Behörde ein überwiegendes betriebliches Eigeninteresse am Abtransport des Materials. Die Rückstellung stelle daher eine steuerlich nicht zu bilanzierende Aufwandsrückstellung dar. Ferner bestehe die Verpflichtung zur Räumung der Baustellen frühestens ab dem Zeitpunkt, an dem der jeweilige Vertrag auslaufe. Somit könne auch keine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gebildet werden.
Lösung
Das FG Münster schließt sich der Auffassung des Finanzamts an. Aufwandsverpflichtungen ohne Außenverpflichtung gegenüber einem Dritten dürfen steuerlich nicht bilanziert werden. Gleiches gilt laut BFH-Rechtsprechung bei Außenverpflichtungen, bei denen die Leistungspflicht gegenüber dem Dritten von einem eigenbetrieblichen Interesse des Unternehmens überlagert wird. Zwar besteht im Ausgangsfall eine vertragliche Verpflichtung zum Abtransport des Materials. Doch sind die Räumung und der Abtransport des Materials von erheblichem Nutzen für die Klägerin, da sie das Material auf anderen Baustellen verwenden kann. Eine Zurücklassung des Materials würde die Klägerin aufgrund des Materialwerts wesentlich härter treffen als den Auftraggeber.
Es ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin eine Räumung auch ohne vertragliche Verpflichtung durchführen würde. Insofern liegt ein überwiegendes eigenbetriebliches Interesse der Klägerin vor, welches die bestehende Außenverpflichtung überlagert. Die Bildung der Rückstellung wurde daher zu Recht vom Finanzamt nicht anerkannt.
Da es sich laut Einschätzung des FG Münster um eine Aufwandsrückstellung handelt, musste das Gericht keine Stellung zur Frage des Zeitpunkts der Rückstellungsbildung nehmen.
Das FG Münster hebt ausdrücklich den Unterschied zwischen dem Ausgangsfall und einer Rückstellung für Wiederherstellungs- und Abbruchverpflichtungen hervor. Bei Letzterer ist die Erfüllung regelmäßig im alleinigen Interesse des Anspruchsberechtigten, das zur Rückbildung verpflichtete Unternehmen selbst zieht keinen Nutzen daraus. Auch bei der Rückstellungsbildung gilt also die Frage des römischen Staatsmanns Cicero: „Cui bono?“ (Wer profitiert?) |
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 4/2019
becklink414855