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Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Immobilien-Bewertung: Zur Anwendbarkeit des Vergleichswertverfahrens bei der Feststellung des Verkehrswerts

Christian Thurow

BGH-Urteil vom 8.1.2019, XI ZR 535/17

 

Immer wieder stellt die Bewertung von Immobilien eine Herausforderung dar. In der Praxis kommen verschiedene Bewertungsverfahren zum Einsatz, deren Ergebnisse sich jedoch erheblich voneinander unterscheiden können. Wie wäre also hier die Bildung eines Mittelwerts der Ergebnisse aus den verschiedenen Bewertungsverfahren? Der BGH hat nun in einem Urteil klargemacht, was er davon hält.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Kläger erwarb zu Anlagezwecken eine Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von rund 34.000 €, welcher vollständig über einen Bankkredit finanziert war. Später wurde der Kauf auf dem Klageweg rückabgewickelt, da der Verkehrswert der Wohnung nur rund 10.500 € betragen habe und der Kaufpreis daher in sittenwidriger Weise überhöht war. Der Kläger begehrte außerdem die Rückabwicklung des Darlehens, da die Bank ihrer Aufklärungspflicht nicht nachgekommen sei. Im Rahmen der vorinstanzlichen Rechtsprechung wurden verschiedene Werte für die Wohnung ermittelt:

  • Verkehrswert in Höhe von ca. 18.000 €
  • Vergleichswert in Höhe von ca. 21.000 €
  • Ertragswert in Höhe von ca. 12.000 €.

Das vorinstanzliche Gericht nahm sodann eine Mittelung von Vergleichs- und Ertragswert vor und legte als Ergebnis den Verkehrswert auf 16.500 € fest. Da der Verkaufswert um mehr als 100% über dem Verkehrswert gelegen habe, befand er sich nach Ansicht des Gerichts im sittenwidrigen Bereich. Die darlehensgebende Bank hätte dies erkennen müssen. Bei der Ermittlung des Beleihungswerts sei die Bank selbst von einem Vergleichswert von 26.400 € und einem Ertragswert von 8.500 € ausgegangen. Bereits das arithmetische Mittel beider Werte führe zu einem Verkehrswert von 17.500 € und bringt damit den Kaufpreis in den sittenwidrigen Bereich.

Die Bank hat gegen das Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

 

 

Lösung

Die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BGH hatte Erfolg. Zwar besteht tatsächlich eine Aufklärungspflicht der Bank, wenn eine so wesentliche Verschiebung der Relation zwischen Kaufpreis und Verkehrswert vorliegt, dass die Bank von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen muss. Doch trifft dies im vorliegenden Fall nicht zu.

Das vorinstanzliche Gericht hat unzulässigerweise von der Anwendung des Vergleichswertverfahrens zugunsten eines Mittelwerts aus Vergleichs- und Ertragswert abgesehen. Das Gericht hat dabei die von dem Sachverständigen gewählte Wertermittlungsmethode gegen eine andere ausgetauscht, ohne – was hierzu Voraussetzung gewesen wäre – seine eigene besondere Sachkunde auszuweisen. Liegen die Voraussetzungen für eine verlässliche Verkehrswertermittlung nach Vergleichspreisen vor, kann an dieser auch dann festgehalten werden, wenn eine andere Wertermittlungsmethode zu einem deutlich abweichenden Ergebnis führt. Der Verkäufer, dessen Preis im Rahmen vergleichbarer Verkaufsfälle bleibt, macht sich nicht der Sittenwidrigkeit schuldig.

Die Bank war nicht verpflichtet, Nachforschungen zu dem von ihr finanzierten Vorhaben anzustellen. Die von der Bank im eigenen Interesse angestellte Ermittlung des Beleihungswerts muss weder von der Bank noch vom Verkäufer geprüft werden.

 

Praxishinweis:

Da die Bank den Kaufpreis zu 100% finanziert hatte, ist anzunehmen, dass der Beleihungswert bankintern höher eingeschätzt wurde als die später vom Gericht aufgerufenen Werte. Interessant ist dabei, dass die Bank selber davon ausgeht, dass der Vergleichswert den Ertragswert um mehr als 300% übersteigt. Dies deutet auf einen „überhitzten“ Wohnungsmarkt hin, bei welchem die Verkaufspreise in keinem Verhältnis zu den erzielbaren Mieteinnahmen stehen. Die Wertermittlung auf Basis mehrerer Verfahren kann hier wertvolle Hinweise liefern. Interessant ist die Thematik auch vor dem Hintergrund der anhaltenden Debatte um die Reform der Grundsteuer. Wie zu sehen, kann es einen großen Unterschied machen, ob sich die Grundsteuer künftig an der erzielbaren Rendite oder dem Verkehrswert der Immobilie bemisst.

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 3/2019

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