BMF-Schreiben vom 10.6.2022, IV C 5 – S 2293/19/10012 :001; DOK 2022/0079983
Durch den Auslandstätigkeitserlass (ATE) wird unter bestimmten Voraussetzungen der Arbeitslohn für eine Auslandstätigkeit steuerfrei gestellt. Rechtsgrundlage für den Auslandstätigkeitserlass ist die Vorschrift des § 34c Abs. 5 EStG, der den obersten Finanzbehörden die Möglichkeit eröffnet, die Einkommensteuer zu erlassen, wenn dies aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist. Zielrichtung des Auslandstätigkeitserlasses ist damit in erster Linie die Förderung der deutschen Exportwirtschaft. Von dieser Möglichkeit hat die Finanzverwaltung durch den Auslandstätigkeitserlass Gebrauch gemacht.
Praxis-Info!
Die Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses erfordert eine Auslandstätigkeit von mindestens drei Monaten in einem Staat, mit dem kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, in das die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einbezogen worden sind. Der Auslandstätigkeitserlass kommt daher vor allem bei Tätigkeiten in Afghanistan, Brasilien, Chile, in der Dominikanischen Republik, in Hongkong, Libyen, Nigeria, Peru, Saudi-Arabien und in den Vereinigten Arabischen Emiraten in Betracht.
Die Finanzverwaltung hat nunmehr ihr Anwendungsschreiben aus dem Jahr 1983 (!) aktualisiert. Das neue Schreiben gilt ab dem Jahr 2023, im Lohnsteuerabzugsverfahren für nach dem 31.12.2022 endende Lohnzahlungszeiträume sowie ab dem 1.1.2023 zufließende sonstige Bezüge. Auf folgende Punkte wird besonders hingewiesen:
- Zu den begünstigten Tätigkeiten, für die eine Steuerfreistellung des Arbeitslohns in Betracht kommt, gehören u.a. auch Auslandstätigkeiten im Zusammenhang mit dem Einbau, der Aufstellung, der Instandsetzung oder Wartung sonstiger Wirtschaftsgüter, die ausschließlich von EU-/EWR-Arbeitgebern hergestellt, instandgesetzt bzw. gewartet werden.
- Nicht begünstigte Tätigkeiten sind u.a. Sanierungs-, Restaurierungs-, Reinigungs- und Sicherungsarbeiten an Bauwerken ohne industrielle bzw. technische Nutzung. Ebenfalls nicht begünstigt sind Tätigkeiten im Bereich der humanitären Hilfe.
- Die deutsche öffentliche Entwicklungshilfe im Rahmen der technischen oder finanziellen Zusammenarbeit gehört zu den begünstigten Tätigkeiten, wenn eine Projektförderung unmittelbar oder mittelbar aus inländischen öffentlichen Mitteln zu mindestens 75% vorliegt; eine Kofinanzierung z.B. aus EU-Mitteln bis zu 25% ist also möglich. Eine Steuerfreistellung des Arbeitslohns scheidet aber aus, soweit der Arbeitslohn unmittelbar oder mittelbar aus inländischen öffentlichen Kassen gezahlt wird. Werden also im Rahmen der deutschen Entwicklungshilfe z.B. 80% des Aufwands aus einer deutschen öffentlichen Kasse und 20% aus EU-Mitteln finanziert, sind lediglich 20% des Arbeitslohns steuerfrei.
Der Arbeitnehmer muss im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren (also erstmals für 2023) nachweisen, dass die Einkünfte (Arbeitslohn abzüglich Werbungskosten jeweils nach deutschem Recht ermittelt) in dem ausländischen Staat einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer von durchschnittlich mindestens 10% unterliegen und diese Steuer entrichtet wurde (= ausländische Mindestbesteuerung). Für die Steuerfreistellung des Arbeitslohns im Lohnsteuerabzugsverfahren ist die ausländische Besteuerung dem Grunde nach – nicht der Höhe nach – glaubhaft zu machen.
Beispiel Ausländische Mindestbesteuerung: Das für den Auslandseinsatz in einem „ATE-Staat“ erzielte Gehalt eines Arbeitnehmers beträgt 110.000 €, die Werbungskosten belaufen sich auf 10.000 € und die aus dieser Tätigkeit erzielten Einkünfte somit auf 100.000 €. Die hierauf erhobene Steuer des ausländischen Staats beträgt 9.000 € (= 9%). Behandlung: Da die ausländische Besteuerung nicht mindestens 10% beträgt, sind auch die Einkünfte aus dieser Arbeitnehmertätigkeit in Deutschland in Höhe von 100.000 € steuerpflichtig. Die ausländische Steuer kann auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet oder bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden (§ 34c Abs. 1 und 2 EStG). |
Mitarbeiter der BC-Redaktion
BC 7/2022
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