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Einkommen-/Lohnsteuer
   

Ermittlung der unter der „Zinsschranke“ (§ 4h EStG) abziehbaren Zinsen bei einer Mitunternehmerschaft

Dr. Martin Weiss

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.10.2022 – 8 K 8034/21, BeckRS 2022, 34516 (Revision zugelassen)

 

Ein negativer Zinssaldo – also ein Überschuss an Zinsaufwendungen gegenüber den Zinserträgen – unterliegt den Regelungen zur Zinsschranke. Umstritten ist, in welcher Höhe bei der Berechnung des Zinssaldos Beteiligungserträge bei Organschaften bzw. Mitunternehmerschaften zu berücksichtigen sind.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

§ 4h EStG enthält die Regelung zur sog. „Zinsschranke“. Mittels der Regelung, die durch das UntStRefG 2008 vom 14.8.2008 (BGBl. I 2007, 1912) eingeführt wurde, soll der Zinsabzug bei einem „Betrieb“ in Höhe des Zinsertrags, darüber hinaus jedoch nur bis zur Höhe des verrechenbaren EBITDA gewährt werden (EBITDA = Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization; das bedeutet „Ertrag vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände”). Durch § 4h Abs. 1 S. 2 EStG wird das „verrechenbare EBITDA“ definiert als „30 Prozent des ... maßgeblichen Gewinns“. Anwendbar ist die Zinsschranke auf sämtliche „Betriebe“, wozu auch Mitunternehmerschaften im Sinne des Einkommensteuergesetzes gehören (BMF 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718, Rn. 6). Körperschaften haben hingegen eine modifizierte Anwendungsregelung zur Zinsschranke in § 8a KStG zu beachten.

Bei der Anwendung der Zinsschranke auf Mitunternehmerschaften stellen sich besondere Probleme. Insbesondere ist aufgrund der transparenten Besteuerung bei Mitunternehmerschaften ein „Kaskadeneffekt“ („Sturzfolge”) in mehrstöckigen Strukturen möglich: Der entsprechende „Gewinn“ wird bei der Mitunternehmerschaft wie auch beim Mitunternehmer in die Berechnung einbezogen. Diesen Effekt will die Finanzverwaltung durch eine „betriebsbezogene“ Ermittlung des steuerlichen EBITDA vermeiden: Zinsaufwendungen, Zinserträge, Abschreibungen und Anteile am maßgeblichen Gewinn, die in das steuerliche EBITDA einer Mitunternehmerschaft einfließen, sollen beim Mitunternehmer nicht nochmals Berücksichtigung finden (BMF 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718, Rn. 42). Anderer Auffassung war jedoch das FG Köln in seinem Urteil vom 19.12.2013 (10 K 1916/12, DStR 2014, 995). Die dagegen eingelegte Revision (IV R 4/14) ruht wiederum, da zunächst das Bundesverfassungsgericht über die Frage der Verfassungskonformität der Zinsschranke insgesamt entscheiden muss (Vorlage des BFH, Beschl. v. 14.10.2015 – I R 20/15, BStBl. II 2017, 1240; BVerfG 2 BvL 1/16).

Das FG Berlin-Brandenburg musste nun über einen anderen Aspekt der Ermittlung des für die Ermittlungen bei der Zinsschranke „maßgeblichen Gewinns“ entscheiden. Nach § 4h Abs. 3 S. 1 EStG ist dies „der nach den Vorschriften dieses Gesetzes mit Ausnahme des Absatzes 1 ermittelte steuerpflichtige Gewinn“. Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft als Organträgerin einer ertragsteuerlichen Organschaft (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG), erzielte im Streitjahr 2017 umfangreiche Beteiligungserträge aus eigenen Tochterkapitalgesellschaften. Ihre Organgesellschaften vereinnahmten ebenfalls hohe Beteiligungserträge. Diese wurden aufgrund der sog. „Bruttomethode“ des § 15 S. 1 Nr. 2 KStG bei den Organgesellschaften nicht nach § 8b KStG freigestellt, sondern erst bei der Klägerin nach § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b KStG behandelt.

An der Klägerin, die bereits zum Ende des Wirtschaftsjahres 2016 einen „Zinsvortrag“ (§ 4h Abs. 1 S. 5 EStG; § 4h Abs. 4 EStG) in zweistelliger Millionenhöhe aufwies, waren ausschließlich Kapitalgesellschaften beteiligt. Die erneut hohen (Netto-)Zinsaufwendungen der Klägerin im Streitjahr 2017 drohten unter den Regelungen der Zinsschranke nur sehr begrenzt abzugsfähig zu sein. Die Klägerin wollte daher bei der Ermittlung des „maßgebenden Gewinns“ für Zwecke der Zinsschranke eine volle Berücksichtigung ihrer Beteiligungserträge – also ohne Anwendung der Freistellung nach § 8b KStG – erreichen. Der Gewinn wäre dementsprechend höher ausgefallen – und damit auch das „verrechenbare EBITDA“, was wiederum einen höheren Zinsabzug ermöglicht hätte.

 

 

Lösung 

Das FG Berlin-Brandenburg hat dies jedoch abgelehnt. Der Wortlaut des § 4h Abs. 3 S. 1 EStG sei zwar insoweit nicht ganz klar. Der Verweis in der Norm auf „dieses Gesetz“ könnte als Gesetzesbefehl zur ausschließlichen Anwendung der Normen des Einkommensteuergesetzes verstanden werden. Allerdings sei dies mit Blick auf Sinn und Zweck der Norm („teleologische Auslegung“) nicht gerechtfertigt. Insbesondere wäre bei beteiligten natürlichen Personen § 3 Nr. 40 EStG („Teileinkünfteverfahren“) für den maßgeblichen Gewinn zu berücksichtigen, § 8b KStG jedoch bei beteiligten Körperschaften nicht. Dies sei widersprüchlich. Zudem würde eine Auslegung wie die von der Klägerin angestrebte auch bei Steuerbefreiungen unter dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) wirken, da es sich dabei auch nicht um „dieses Gesetz“ im Sinne des § 4h Abs. 3 S. 1 EStG handele.

 

Praxishinweise:

  • Was genau der Ausdruck „Gewinn“ bedeutet, wenn das Steuergesetz ihn benutzt, ist auch in anderen Regelungen nicht immer klar. Zu § 4 Abs. 4a EStG („Verweigerung des Zinsabzugs bei Überentnahme“) hat der BFH in seinem Urteil vom 3.12.2019 (X R 6/18, BStBl. II 2021, 77) entschieden, dass dessen Gewinnbegriff dem allgemeinen Gewinnbegriff in § 4 Abs. 1 EStG entspricht und damit das Ergebnis des (innerbilanziellen) Betriebsvermögensvergleichs widerspiegelt. Außerbilanzielle Gewinnerhöhungen – etwa nach § 4 Abs. 5 EStG – sind damit für seine Ermittlung irrelevant.
  • Die Anwendung des § 8b KStG auf Ebene der an einer Mitunternehmerschaft beteiligten Körperschaften stellt § 8b Abs. 6 S. 1 KStG ausdrücklich sicher: Danach gelten § 8b Abs. 1 bis 5 KStG auch für die dort genannten Bezüge, Gewinne und Gewinnminderungen, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen des Gewinnanteils aus einer Mitunternehmerschaft zugerechnet werden. Nach Auffassung des BFH sind diese Freistellungen bereits bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO anzuwenden, sodass die Einkünfte nach Anwendung dieser Vorschriften grundsätzlich „netto“ festzustellen sind (BFH, Urt. v. 25.7.2019 – IV R 47/16, BStBl. II 2020, 142). Sie sind daher unmittelbar bei Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte der Mitunternehmerschaft zu beachten (Rn. 21 des Urteils). Dies spricht für die Auslegung des FG Berlin-Brandenburg. 
  • Die Zinsschranke war mit Blick auf die Organschaft im Urteilssachverhalt modifiziert: Nach § 15 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG ist sie bei der Organgesellschaft nicht anzuwenden. Nach Satz 2 gelten Organträger und Organgesellschaften als ein Betrieb im Sinne des § 4h EStG.
  • Vorsicht ist beim Ausscheiden von Mitunternehmern geboten: Ähnlich wie bei gewerbesteuerlichen Fehlbeträgen (§ 10a GewStG) wird in § 4h Abs. 5 S. 2 EStG ein Untergang des EBITDA-Vortrags und des Zinsvortrags mit der Quote, mit der der ausgeschiedene Gesellschafter an der Gesellschaft beteiligt war, angeordnet.
  • Ähnliche Probleme wie im vorliegenden Urteil ergaben sich früher bei der Gewerbesteuer, die zulasten der Mitunternehmerschaften erhoben wird (§ 5 Abs. 1 S. 3 GewStG). Die Anwendung des § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG war auch insoweit für die Ebene der Mitunternehmerschaft und ihren Gewerbeertrag umstritten. Die Finanzverwaltung hatte in ihrem Schreiben vom 28.4.2003 noch vertreten, dass „§ 8b Absätze 1 bis 5 KStG sowie § 3 Nr. 40 EStG […] bei der Ermittlung des Gewerbeertrags (§ 7 GewStG) einer Mitunternehmerschaft nicht anzuwenden“ seien (BMF 28.4.2003, DStR 2003, 881, Rn. 57). Nach einer abweichenden BFH-Entscheidung hatte sie diese Auffassung jedoch verworfen (BeckOK GewStG/Weiss § 7 Rn. 625 m.w.N.). Zudem wurde § 7 S. 4 GewStG eingeführt, der die Auffassung des BFH gesetzlich „zementierte“.
  • Rund um § 4h EStG haben sich in den letzten Jahren weitere Abzugsbeschränkungen und -verbote für (auch andere) Betriebsausgaben hinzugesellt. Durch § 4j EStG wird der Abzug von Lizenzaufwendungen, durch § 4i EStG von Sonderbetriebsausgaben beschränkt bzw. ausgeschlossen. Im Unterschied zur Zinsschranke (§ 4h Abs. 4 EStG) gibt es bei diesen keine „Vorträge“, vielmehr verfallen die nicht nutzbaren Beträge unmittelbar.

 

 

Dr. Martin Weiss, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Dipl.-Kfm., Verlag C.H.BECK, München

 

BC 1/2023 

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