BFH-Urteil vom 15.5.2013, VI R 18/12
Das Thema „regelmäßige Arbeitsstätte“ beschäftigt weiterhin die Finanzgerichte. In einem aktuellen Urteil hat nun der BFH Stellung zur regelmäßigen Arbeitsstätte bei Leiharbeitnehmern genommen:
„Die regelmäßige Arbeitsstätte ist insbesondere durch den örtlichen Bezug zum Arbeitgeber gekennzeichnet. Ein Arbeitnehmer ist deshalb grundsätzlich dann auswärts tätig, wenn er außerhalb einer dem Arbeitgeber zuzuordnenden Tätigkeitsstätte (Betriebsstätte) tätig wird, wie dies insbesondere bei Leiharbeitnehmern der Fall ist.“
Praxis-Info!
Problemstellung
Ein Leiharbeitnehmer wurde von seinem Arbeitgeber (Entleiher bzw. Leiharbeitsunternehmen) über einen mehrjährigen Zeitraum an einem Flughafen eingesetzt. Der Leiharbeitnehmer machte in seiner Einkommensteuererklärung Fahrtkosten für beruflich veranlasste Auswärtstätigkeiten in Höhe von km x Tage x 0,30 € x 2 als Werbungskosten geltend.
Finanzamt und Finanzgericht gingen jedoch davon aus, dass durch die mehrjährige Tätigkeit am gleichen Ort eine regelmäßige Arbeitsstätte begründet wurde. Insofern wurden nur Fahrtkosten unter Berücksichtigung der einfachen Entfernung anerkannt (Anwendung der Entfernungspauschale).
Lösung
Der BFH widerspricht der Auffassung von Finanzamt und Finanzgericht:
- Gemäß der BFH-Rechtsprechung ist eine regelmäßige Arbeitsstätte jede dauerhafte, betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers.
- Die Tätigkeitsstätte in einer betrieblichen Einrichtung des Kunden des Arbeitgebers kann dagegen keine regelmäßige Arbeitsstätte sein.
- Da Leiharbeitnehmer normalerweise in der betrieblichen Arbeitsstätte des Kunden des Arbeitgebers (Entleihers) tätig werden, sind sie grundsätzlich auswärts tätig.
Der Leiharbeitnehmer kann im Ausgangsfall die tatsächlich angefallenen Fahrtkosten oder – bei Fehlen eines Einzelnachweises – die unter Anwendung der pauschalen Kilometersätze für Hin- und Rückfahrt ermittelten Aufwendungen als Werbungskosten ansetzen. Dies wird allerdings nur bis zum 31.12.2013 möglich sein! Grund hierfür ist das neue lohnsteuerliche Reisekostenrecht ab 2014: Danach ist es ab dem Lohnzahlungszeitraum 2014 nicht mehr erforderlich, dass die sog. „erste Tätigkeitsstätte“ (bislang „regelmäßige Arbeitsstätte“) eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers ist (vgl. § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG i.d.F. für 2014). Auch außerbetriebliche Einrichtungen kommen als erste Tätigkeitsstätten in Betracht, z.B. wenn das Dienstverhältnis an einen anderen Arbeitgeber ausgelagert wird und der Arbeitnehmer weiterhin an seiner regelmäßigen Arbeitsstätte tätig ist (vgl. Plenker, BC 2013, 141, Heft 4). Ausschlaggebend sind letztlich die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen oder Weisungen, ob der Arbeitnehmer einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers oder eines Dritten dauerhaft zugeordnet wird (§ 9 Abs. 4 Satz 2 EStG i.d.F. für 2014). Dem umfassenden Direktionsrecht des Arbeitgebers soll auch steuerlich Rechnung getragen werden. Zu den typischen Fällen einer dauerhaften Zuordnung zählen (gemäß § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG i.d.F. für 2014): – die unbefristete Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer bestimmten betrieblichen Einrichtung, – die Zuordnung für die Dauer des gesamten (befristeten oder unbefristeten) Dienstverhältnisses oder – die Zuordnung über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus.
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Beispiel: Der Verleiher A überlässt den Leiharbeitnehmer B, mit Wohnsitz in Augsburg, für die gesamte Dauer des befristeten Dienstverhältnisses von drei Jahren dem Entleiher C, um nach entsprechender Zuordnung an dessen Betriebsstätte in München tätig zu werden. Ergebnis: B hat seine erste Tätigkeitsstätte in München. [Beispiel von Plenker, BC 2013, 142, Heft 4] |
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Operational Risk Manager Corporate Finance, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 10/2013
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