Dr. Hans-Jürgen Hillmer
BFH-Urteil vom 16.4.2013, IX R 26/11
Von gewerblichen Einkünften aus einer „hotelmäßigen“ Überlassung eines Ferienhauses kann nur unter Hinzutreten besonderer Sachverhaltsgestaltungen ausgegangen werden. Liegen diese nicht vor, sind Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anzunehmen. In einem solchen Fall führt ein Vorbehalt der Selbstnutzung regelmäßig zu dem Erfordernis einer Überschussprognose zwecks Feststellung der Einkünfteerzielungsabsicht.
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Problemstellung
In dem vom BFH zu entscheidenden Streitfall ging es um die Nichtberücksichtigung von Verlusten der Kläger (eines Ehepaars) aus der Vermietung eines Ferienhauses. Sie hatten zeitgleich mit dem Abschluss eines Grundstückskauf- und Bauwerksvertrags zur Hauserrichtung mit der F-GmbH einen Gästevermittlungsvertrag für 10 Jahre abgeschlossen. Der Vertrag sieht in den vorformulierten Vertragsbedingungen u.a. vor: Die Vermieter dürfen ihr Ferienhaus „nur in der Zeit zwischen dem 15.1. und dem 30.3. oder dem 1.11. bis 15.12.“ eines Jahres selbst nutzen, und die Zeit der Selbstnutzung darf insgesamt jährlich vier Wochen nicht überschreiten. Vertraglich hatten sich die Kläger „im Interesse ... der Vermietbarkeit“ des Ferienhauses auch verpflichtet, das Grundstück nebst Ferienhaus mit Inventar und Mobiliar in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten, insbesondere die Räume in angemessenen Abständen je nach Abnutzungsgrad zu renovieren und das Inventar und Mobiliar bei Bedarf instand zu setzen, zu erneuern oder zu ergänzen. Obwohl in dem Vermietungsvermittlungsvertrag von einem „hotelmäßigen“ Angebot des Ferienhauses die Rede ist, wurde dieses ab April 2000 regelmäßig über Zeiträume von ein bis zwei Wochen, häufig auch länger vermietet.
Die Kläger ermittelten für mehrere Jahre Verluste aus Gewerbebetrieb, die das Finanzamt (FA) zunächst antragsgemäß über sechs Jahre berücksichtigt hatte. Dann lehnte es die Anerkennung der in den Streitjahren geltend gemachten negativen Einkünfte wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht ab und vertrat insoweit die Auffassung, die von den Klägern für die Ferienwohnung vorgelegte Prognoserechnung führe zu einem Totalverlust. Der Klage gab dann das Finanzgericht (FG) weitgehend statt (EFG 2011, S. 1882). Der BFH kam hingegen zu dem Ergebnis, das FG habe im Streitfall zu Unrecht eine Überschussprognose für entbehrlich gehalten.
Interessant ist diese Entscheidung unter zwei Aspekten:
- Werden im Rahmen einer Ferienhausvermietung Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder solche aus Vermietung und Verpachtung erzielt?
- Ist für die Anerkennung langjähriger Verluste eine Überschussprognose erforderlich (wie der BFH meint) oder nicht (wie das FG urteilte)?
Lösung
(1) Für die Beantwortung der letztgenannten Frage liegt mittlerweile eine gefestigte Rechtsprechung vor. Hiernach ist der entscheidende Punkt sehr häufig in der Frage zu sehen, ob es einen Selbstnutzungsvorbehalt gibt oder nicht. Ist das der Fall, muss die Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen überprüft werden; dies gilt unabhängig davon, ob er von seinem Eigennutzungsrecht tatsächlich Gebrauch macht oder nicht (BFH-Urteile vom 6.11.2001, IX R 97/00, BStBl. II 2002, 726; vom 29.8.2007, IX R 48/06, BFH/NV 2008, 34). Die vom FG angestellten Erwägungen,
- zum einen habe die Möglichkeit der „Selbstnutzung“ außerhalb der allgemeinen Ferienzeiten gelegen, und vertraglich müsse diese Zeit zur Pflege und Instandsetzung von Wohnung und Mobiliar genutzt werden, sowie
- zum anderen hätten die Kläger eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Vermietungstagen erreicht, und
- deshalb liege keine „Selbstnutzung“ im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor,
ließ der BFH nicht gelten. Unerheblich ist seiner Auffassung nach auch, ob sich der Vorbehalt der Selbstnutzung aus einer einzelvertraglich vereinbarten (und damit vom Steuerpflichtigen erstrebten) Vertragsbedingung oder aus einem formularmäßigen Mustervertrag ergibt und vom Steuerpflichtigen weder verlangt noch ausgenutzt wurde.
(2) Während sich der vorgenannte Punkt mit einer Ausnahme (siehe unten Praxishinweise) auf der sonst vom BFH vertretenen Linie bewegt und schon häufiger vertreten wurde, ist der oben zuerst genannte Aspekt der Abgrenzung von Einkunftsarten seltener thematisiert worden. Hier kann der BFH-Auffassung zufolge bei der Vermietung eines Ferienhauses ein Gewerbebetrieb nur angenommen werden,
- wenn vom Vermieter bestimmte, ins Gewicht fallende, bei der Vermietung von Räumen nicht übliche Sonderleistungen (Frühstücksraum, tägliche Reinigung etc.) erbracht werden oder
- wenn wegen eines besonders häufigen Wechsels der Mieter eine gewisse – einem gewerblichen Beherbergungsbetrieb vergleichbare – unternehmerische Organisation erforderlich ist (Urteil des BFH vom 14.7.2004, IX R 69/02, BFH/NV 2004, 1640).
Dies habe das FG unter den besonderen Umständen des Einzelfalls mit überzeugenden Gründen abgelehnt.
Wenn nichtselbständige Bilanzbuchhalter bzw. Controller nach Steuersparmöglichkeiten suchen, finden sie in der Vermietung von Ferienwohnungen/-häusern eine der wenigen verbliebenen Möglichkeiten zum Verlustansatz zwecks Gegenrechnung zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Wer aber die steuerliche Anerkennung entsprechender Verluste aus einer Ferienhausvermietung nicht gefährden will, muss auf Vorbehalte zwecks Selbstnutzung strikt verzichten. Etwas überraschend kommt, dass der BFH auch für die Zeiten zwecks Instandsetzung und Pflege offenbar keinen Spielraum sieht. Dies ist aber mehr als ein Problem der Wortwahl zu werten: Nicht unter den Begriff „Selbstnutzung“ subsumierte Zeiten für Reparaturen etc. sind nämlich ansetzbar, ohne – für sich genommen – die Pflicht zu einer Überschussprognose auszulösen. Die Annahme eines Gewerbebetriebs wäre bei anders gelagerten Konstellationen wie z.B. dem Betreiben eines Ferienhauses in einem Ferienpark mit angeschlossener Restauration in Betracht gekommen, wenn die Kläger dann Gesellschafter einer Dachgesellschaft gewesen wären. Ob die Qualifikation als Einkünfte aus Gewerbebetrieb tatsächlich auf Dauer von Vorteil sein könnte, dürfte in der Mehrzahl der Fälle eher zu verneinen sein, wirft aber eine Vielzahl von – auch nichtsteuerlichen – Fragen auf, die der Einzelfallprüfung bedürfen. Jedenfalls zeigt die kürzlich im BC-Newsletter vom 6.6.2013 behandelte Entscheidung vom 10.4.2013, X B 106/12, dass der BFH auch für gewerbliche Anlaufverluste keine unendliche Geduld aufbringt.
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Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld
BC 8/2013
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