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Verdeckte Gewinnausschüttung bei Teilverzicht auf Tantiemezahlung

Christian Thurow

FG Hamburg, Urteil vom 20.11.2013, 2 K 89/13

 

Vor allem bei Start-up-Unternehmen (neu gegründeten Unternehmen) ist die Liquiditäts- und Ertragslage erfahrungsgemäß recht angespannt. Verzichten die Gesellschaftergeschäftsführer (häufig die Gründer) in dieser Situation auf Teile ihrer vertraglich zugesagten Tantieme, kann dies zu einer Umqualifizierung der ausgezahlten Tantieme als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) führen.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Eine GmbH wurde von drei Gesellschaftern gegründet. Mit allen drei Gesellschaftern schloss die GmbH gleichlautende Geschäftsführerverträge ab. Neben einem festen Jahresgehalt sahen die Verträge eine Tantiemezahlung in Höhe von 30% des Jahresüberschusses, höchstens jedoch 60% des Jahresfestgehalts vor. Die Gesellschafterversammlung hat die Tantieme auf Basis des vorläufigen Jahresabschlusses am 15.12. eines jeden Jahres zu beschließen. Zur Schonung der Liquiditätslage wurde in den Jahren 2005 bis 2007 eine Tantieme festgelegt, welche deutlich unter der vertraglich vorgesehenen Höhe lag. Dies wird durch folgende Tabelle verdeutlicht:

 

 

In Euro

Vorläufiger Jahresüberschuss

30% (laut Vertrag)

Beschlossene Tantieme

2005

88.745,99

26.623,80

10.000

2006

450.677,55

135.203,26

20.000

2007

864.789,37

259.436.81

20.000

 

 

Nach Auffassung des Finanzamts können die beschlossenen Tantiemen einem Fremdvergleich nicht standhalten. Die vertraglichen Vereinbarungen wurden nicht umgesetzt, da in keinem Fall die Tantieme – wie verlangt – prozentual vom vorläufigen Jahresüberschuss ermittelt wurde. Die Tantiemezahlungen betreffen auch nicht den in den Geschäftsführerverträgen vorgesehenen Gehaltsverzicht, weil im vorliegenden Fall eine eindeutige Vereinbarung über den Verzicht fehlt. Insofern gibt es für die Zahlungen der Tantieme keine vertragliche Vereinbarung. Die gezahlte Tantieme ist daher als vGA zu werten.

Die GmbH führt dagegen drei zentrale Gegenargumente an:

  • Keiner der Gesellschafter verfügt über eine Mehrheit der Anteile. Die Beteiligungsquoten der Gesellschafter A (40%), B (40%) und C (30%) sind unterschiedlich, was eine Übereinstimmung der Interessen ausschließt.
  • Die Gesellschafter haben auf ihnen zustehende Leistungen zum Wohle der Gesellschaft verzichtet. Die abweichende Tantieme geht nicht zulasten, sondern zugunsten der Gesellschaft. Eine vGA scheidet damit aus.
  • Die Höhe der tatsächlichen Tantieme ist nicht unangemessen.

 

 

Lösung

Das Finanzgericht Hamburg folgt in seiner Urteilsbegründung der Argumentation des Finanzamts:

  • Die Differenz der Beteiligungsquoten ist eher marginal. Auch waren bereits in den Geschäftsführerverträgen gleiche Gehälter und Tantiemen für alle drei Gesellschaftergeschäftsführer vorgesehen. Insofern haben die Gesellschafter selbst den unterschiedlichen Beteiligungsquoten keine Bedeutung beigemessen. Somit liegt in Bezug auf das Gehalt sehr wohl eine Übereinstimmung der Interessen vor. Die drei Gesellschafter sind daher als beherrschende Gesellschafter anzusehen.
  • Bei beherrschenden Gesellschaftern kann eine vGA anzunehmen sein, wenn es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung für eine Leistung der Gesellschaft an den beherrschenden Gesellschafter fehlt.
  • Die im Voraus vereinbarte prozentuale Bemessung der Tantieme wurde nicht umgesetzt. Stattdessen wurden die Tantiemen nach überschlägiger Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Gesellschaft festgelegt. Die fehlende Durchführung der getroffenen Vereinbarung ist ein Indiz für eine vGA.
  • Das Indiz wird nicht dadurch widerlegt, dass die Handlung zugunsten der Gesellschaft durchgeführt wurde. Bei beherrschenden Gesellschaftern ist der sog. doppelte Fremdvergleich heranzuziehen. Dieser besagt: Eine vGA kann auch dann vorliegen, wenn eine Kapitalgesellschaft mit ihrem Gesellschafter eine für das Unternehmen günstige Vereinbarung trifft, die ein Fremdgeschäftsführer so nicht getroffen hätte. Im Ausgangsfall ist davon auszugehen, dass sich ein Fremdgeschäftsführer nicht ohne Weiteres mit einer deutlich niedrigeren Tantieme abgefunden hätte.
  • Der im Geschäftsführervertrag vorgesehene Gehaltsverzicht bezieht sich lediglich auf das Festgehalt. Die Klausel kann somit nicht auf die Tantiemezahlung angewendet werden.
  • Da die tatsächlichen Tantiemevereinbarungen nicht den formalen Sonderanforderungen für beherrschende Gesellschafter entsprechen, liegt eine vGA dem Grunde nach vor. Auf die Frage nach der Angemessenheit der Tantieme kommt es daher nicht mehr an.

 

Praxishinweise:

  • „Pacta sunt servanda“ – Verträge müssen eingehalten werden. Dieser alte Grundsatz des römischen Rechts trifft vor allem auf das Verhältnis von beherrschenden Gesellschaftern und Gesellschaft zu. Dies gilt z.B. auch für Gewinnabführungs- oder Organschaftsverträge. Wird ein vertraglich festgelegter Sachverhalt in der Praxis anders gehandhabt, so ist dies schriftlich im Voraus zu dokumentieren.
  • Eine vGA kann selbst dann vorliegen, wenn eine Handlung zugunsten der Gesellschaft durchgeführt wurde. Bei Vertragsverhältnissen mit beherrschenden Gesellschaftern ist daher immer auf den doppelten Fremdvergleich abzustellen.
  • Eine unterschiedliche Beteiligungsquote schließt nicht automatisch eine Übereinstimmung der Interessen der Gesellschafter aus. Neben der Höhe der Differenz der Quoten können auch andere Faktoren – hier z.B. gleiches Gehalt – als Indiz gewertet werden.

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Operational Risk Manager Corporate Finance, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 3/2014

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