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Einkommen-/Lohnsteuer
   

Arbeitsverträge mit nahen Angehörigen: Unbezahlte Mehrarbeit steuerschädlich?

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Urteil vom 17.7.2013, X R 31/12

 

Bei Arbeitsverträgen zwischen nahen Angehörigen ist die Fremdüblichkeit der Vertragsbedingungen zu prüfen; die Intensität dieser Prüfung ist auch vom Anlass des Vertragsschlusses abhängig.

Leistet der als Arbeitnehmer beschäftigte Angehörige unbezahlte Mehrarbeit über seine vertragliche Stundenzahl hinaus, steht dies der Annahme, das Arbeitsverhältnis sei tatsächlich durchgeführt worden, grundsätzlich nicht entgegen. Etwas anderes gilt nur, wenn die vereinbarte Vergütung schlechterdings nicht mehr als Gegenleistung für die Tätigkeit des Angehörigen angesehen werden kann.

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Beschäftigung von nahen Angehörigen ist insbesondere in vielen kleineren und unzähligen Kleinstunternehmen in Deutschland üblich sowie in manchen Branchen, wie z.B. in Gaststätten und familiär geführten Hotels oder im Einzelhandel, die Regel. Für die steuerliche Anerkennung ist das Kriterium der Fremdüblichkeit der getroffenen Vereinbarungen von ausschlaggebender Bedeutung.

In dem nun vom BFH behandelten Fall betrieb der Kläger als Einzelunternehmer eine Werbeagentur und schloss zunächst mit seinem in Frührente befindlichen Vater, später auch mit seiner Mutter einen Arbeitsvertrag über Bürohilfstätigkeiten im Umfang von 10 bzw. 20 Wochenstunden ab.

Das Finanzamt (FA) versagte den Betriebsausgabenabzug mit der Begründung, es seien keine Aufzeichnungen über die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden geführt worden. Dies wurde auch vom Finanzgericht (FG) so gesehen, das zudem argumentierte, die Arbeitsverträge seien nicht entsprechend der Vereinbarung durchgeführt worden, weil beide Elternteile tatsächlich mehr als die vertraglich festgelegten 10 bzw. 20 Wochenstunden gearbeitet hätten.

Der BFH hatte deshalb insbesondere unter Bezug auf die Behandlung unbezahlter Mehrarbeit zu entscheiden.

 

 

Lösung

Ob ein Vertrag zwischen nahen Angehörigen steuerlich anzuerkennen ist, wird anhand eines Fremdvergleichs beurteilt. In Bezug auf Arbeitsverhältnisse bedeutet das: Lohnzahlungen an einen im Betrieb des Steuerpflichtigen mitarbeitenden Angehörigen sind als Betriebsausgaben abziehbar,

– wenn der Angehörige aufgrund eines wirksamen Arbeitsvertrags beschäftigt wird, der inhaltlich den üblichen Vereinbarungen zwischen fremden Dritten entspricht,

– er die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringt und

– wenn der Steuerpflichtige seinerseits alle Arbeitgeberpflichten, insbesondere die der Lohnzahlung, erfüllt.

Gemäß diesem Grundsatz dürfte nach Auffassung des BFH die ertragsteuerliche Anerkennung nicht allein deshalb scheitern, weil die als Arbeitnehmer beschäftigten Angehörigen mehr Arbeitsstunden geleistet haben als vertraglich vereinbart. Dieses Ergebnis leitet der BFH wie folgt ab:

 

(1) Intensität des Fremdvergleichs: Die Intensität der erforderlichen Prüfung hängt auch vom Anlass des Vertragsschlusses ab. Insofern ist ein Fremdvergleich weniger strikt durchzuführen, wenn der Arbeitgeber im Fall der Nichtbeschäftigung seines Angehörigen einen fremden Dritten hätte einstellen müssen. Umgekehrt gilt: Der Fremdvergleich ist um so strenger durchzuführen, wenn der Angehörige für solche Tätigkeiten eingestellt wird, die üblicherweise vom Steuerpflichtigen selbst oder unentgeltlich von Familienangehörigen erledigt werden.

 

(2) Mehrarbeit nicht steuerschädlich: Vor allem aber ist dem BFH die Beurteilung des Umstands wichtig, dass beide Elternteile „unbezahlte Mehrarbeit“ geleistet haben sollen. Im Unterschied zu der vom FG vertretenen Auffassung ist für den BFH eine solche Mehrarbeit für die steuerrechtliche Beurteilung nicht von wesentlicher Bedeutung. Entscheidend für den Betriebsausgabenabzug sei vielmehr, dass der Angehörige die vereinbarte Gegenleistung (Arbeitsleistung) für die an ihn gezahlte Vergütung tatsächlich erbringt. Dies sei auch dann der Fall, wenn er seine arbeitsvertraglichen Pflichten durch Leistung von Mehrarbeit übererfüllt. Mehrarbeit könne definitorisch nur vorliegen, wenn die geschuldete Arbeitsleistung bereits erbracht worden ist.

 

(3) Grenzen bei Übermaß: Dieser Grundsatz kippt erst dann, wenn das gleichwertige Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in einem solchen Ausmaß gestört ist, dass ein sog. Rechtsbindungswillen der Arbeitsvertragsparteien zu verneinen wäre.

 

 

Praxishinweise:

  • Wer demnach als Arbeitgeber freiwillige Mehrarbeit seiner bei ihm angestellten Angehörigen in Anspruch nimmt, muss sich um die steuerliche Anerkennung nicht sorgen, solange ein bestimmter Rahmen nicht gesprengt wird. Die Begründung des BFH hierzu im Kern: Die freiwillige Mehrarbeit aus dem Arbeitsverhältnis kann abgespalten und der familiären Nähebeziehung zugeordnet werden, ohne dass sich daraus in Bezug auf die ertragsteuerrechtliche Anerkennung des Arbeitsverhältnisses Konsequenzen ergeben, die für den Steuerpflichtigen nachteilig sind.
  • Ob Arbeitszeitnachweise geführt worden sind, hält der BFH in diesem Zusammenhang nicht für entscheidungserheblich. Hier ist in der Praxis aber auch auf sozialversicherungsrechtliche Anforderungen zu achten, insbesondere bei Minijobs. Zudem sollten Arbeitszeitnachweise schon deshalb geführt werden, um belegen zu können, dass Arbeit tatsächlich in dem vertraglich vereinbarten Umfang erbracht worden ist (was im Streitfall wegen besonderer Umstände außer Frage stand).
  • Auch die Vereinbarung eines unüblich niedrigen Arbeitslohns mit Angehörigen ist für den BFH kein Grund, der die ertragsteuerrechtliche Anerkennung des Arbeitsverhältnisses infrage stellen würde. Es kommt hierbei – wie bei dem zu tolerierenden Umfang der Mehrarbeit – in der Praxis allerdings wohl darauf an, den „Bogen nicht zu überspannen“.
  • Ein weiterer Abschnitt in der Begründung legt allerdings den Eindruck nahe, dass der BFH selbst den Bogen überspannt haben könnte, wenn er den Richtern der Vorinstanz vorwirft, diese hätten nicht geprüft, ob die Erbringung unbezahlter Mehrarbeit überhaupt als unüblich angesehen werden kann. Wörtlich führt der BFH dazu näher aus: „Von Bedeutung mögen Sorgen des Arbeitnehmers um den Erhalt seines Arbeitsplatzes, aber auch die Gepflogenheiten der jeweiligen Branche sein.“ Ob hier womöglich der aktuelle politische Streit um Mindestlöhne Einfluss genommen hat, kann offenbleiben. Denn unverkennbar hat sich hier der BFH wohl doch zu weit vom Steuerrecht entfernt und sich seinerseits dem Vorwurf aussetzt, Überlegungen gesellschaftspolitischer Art mit steuerrechtlichen Erwägungen zu vermengen – „Schuster, bleib bei deinen Leisten!“
  • Leistet ein Angehörigen-Arbeitnehmer die von ihm arbeitsvertraglich geschuldeten Dienste hingegen im Gegensatz zum besprochenen Fall nicht oder nur teilweise, liegt ein gewichtiges Indiz gegen die ertragsteuerrechtliche Anerkennung des Arbeitsverhältnisses vor.

 

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

 

BC 11/2013

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