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Einkommen-/Lohnsteuer
   

Betriebsstättenerrichtung mit oder ohne Innenausstattung als Erstinvestition?

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Urteil vom 17.9.2015, III R 2/14

 

Ein Erstinvestitionsvorhaben kann sich auf eine oder mehrere Einzelinvestitionen erstrecken. Im Falle der Errichtung einer neuen Betriebsstätte durch den Bau eines Hotels hängen die Herstellung des Gebäudes und die Inneneinrichtung auch dann räumlich und sachlich zusammen, wenn wesentliche Entscheidungen über die Inneneinrichtung nach dem Baubeginn getroffen oder abgeändert werden.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

In dem zum BFH gelangten Fall stritten die Beteiligten um die Gewährung von Investitionszulage für die Einrichtung eines Fünf-Sterne-Hotels nach dem Investitionszulagengesetz (InvZulG) 2007. Geklagt hatte eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand der Erwerb und Betrieb von Hotelanlagen sowie die Beteiligung an Gesellschaften des Hotelgewerbes ist.

Das Sächsische Finanzgericht war mit Urteil vom 6.3.2012 (Az.: 5 K 1353/10) zu dem folgenden Entscheid gekommen, der die Ansicht der Finanzverwaltung bestätigte: Die Errichtung eines Hotelgebäudes und dessen Innenausstattung sind als einheitliches Erstinvestitionsvorhaben anzusehen.

Dem schloss sich nun auch der BFH an. Eine Investitionszulagenförderung nur der Einrichtung lehnten die Münchener Finanzrichter ab. Das war für die klagende GmbH als Betreiberin der geplanten Hotelanlage, die später in eine Apartmentanlage umgewidmet wurde, deswegen von großer Bedeutung, weil nur die Ausführung der Innenausstattung, nicht aber die Gebäudeerrichtung in den Förderzeitraum fiel.

 

 

Lösung

Letztlich war im Streitfall entscheidend, dass mit der Errichtung der Hotelanlage schon vor dem 21.7.2006 begonnen worden war – also vor dem gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2007 maßgeblichen Stichtag. Deshalb hatte auch das Finanzamt die Investitionszulage in Höhe von 0 € festgesetzt. Die von der GmbH vorgetragene und auf § 2 Abs. 3 Nr. 1 InvZulG 2007 (Errichtung einer neuen Betriebsstätte) gestützte Auffassung, wonach mit der Errichtung im Februar 2007 durch Bestellung der Inneneinrichtung begonnen worden sein soll, wurde verworfen.

Im Ergebnis muss ein Anspruchsberechtigter mit dem Erstinvestitionsvorhaben im vom BFH beschriebenen Sinne – von hier nicht einschlägigen Ausnahmen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 2007) abgesehen – in der Zeit vom 21.7.2006 bis 31.12.2009 begonnen haben (§ 3 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 2007). Für davor begonnene Vorhaben kommt nur eine Förderung nach dem InvZulG 2005 in Betracht. Danach werden aber nur Betriebe des verarbeitenden Gewerbes oder der produktionsnahen Dienstleistungen gefördert (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 2005), nicht hingegen Betriebe des Beherbergungsgewerbes. Genau hierin liegt der Unterschied zu Betriebsstättenerrichtungen in anderen Branchen.

Für andere Unternehmen könnten sich – je nach den Umständen des Einzelfalls – also ganz andere Beurteilungen ergeben, weshalb von einer vorbehaltlosen Übertragung der vom BFH in dieser Entscheidung in bemerkenswerter Ausführlichkeit zusammengetragenen Rechtsgrundsätze auf ähnliche Fälle (Lagergebäudeerrichtung und Einbau von Regalsystemen etwa) abzuraten ist. Eine kleine Auswahl mag verdeutlichen, wie sehr der BFH ins Detail gegangen ist:

(1) Begriff des Erstinvestitionsvorhabens: Dieses kann sich auf eine oder mehrere Einzelinvestitionen erstrecken und ist als die Summe der räumlich, zeitlich und sachlich (funktional, strategisch, technisch) mit einem der in § 2 Abs. 3 InvZulG 2007 genannten Vorhaben zusammenhängenden Maßnahmen zu verstehen.

(2) Aufteilung von Erstinvestitionsvorhaben in begünstigte und nicht begünstigte Teile.

(3) Beginn des Erstinvestitionsvorhabens, der vorliegt, wenn mit der ersten hierzu gehörenden Einzelinvestition begonnen worden ist (§ 3 Abs. 2 Satz 1 InvZulG 2007), und Beginn der Einzelinvestition.

(4) Festlegung des Begriffs der Betriebsstätte als jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient, und Abgrenzung des Begriffs der Betriebsstättenerweiterung; Besonderheiten bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten.

(5) Die Notwendigkeit, unternehmerische Entscheidungen gegebenenfalls an veränderte Umstände anzupassen.

(6) Abgrenzung von 5-Sterne-Hotels und 4-Sterne-Anlagen: Bedeutet die Einrichtung eines Fünf-Sterne-Hotels anstatt eines Vier-Sterne-Superior-Hotels eine wesentliche Änderung, die der Annahme eines einheitlichen Vorhabens entgegensteht?

(7) Kann es sich bei der Errichtung des Hotels um eine Erweiterung eines Apartmenthauses handeln?

Immerhin kommt der BFH bei der Erörterung dieser Problemkomplexe meist zum Ergebnis, dass es darauf letztlich für die Entscheidungsfindung nicht ankomme.

 

 

Praxishinweise:

  • Die im Streitfall ausschlaggebenden Branchenspezifika mag man als ungerecht empfinden; sie sind aber im Steuerrecht auch jenseits der Investitionszulagenförderung übliche Praxis. So profitiert gerade die Tourismusbranche immer noch von der vor einigen Jahren beschlossenen Herabsetzung des Umsatzsteuersatzes für kurzfristige Übernachtungen auf 7%.
  • In weiteren Passagen beschäftigt sich der BFH damit, dass vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör habe und wann ein sog. Schriftsatznachlass zulässig sei. Ein Urteil dürfe nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Über den Wortlaut des § 96 Abs. 2 FGO hinaus sei im finanzgerichtlichen Verfahren „rechtliches Gehör nicht nur zu Tatsachen und Beweisergebnissen, sondern auch zu entscheidungserheblichen Rechtsfragen zu gewähren“. Dass am Ende also doch die entscheidungserheblichen Rechtsfragen ins Spiel gebracht werden, mag jeden trösten, der sich zuvor mit offenbar nicht entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu beschäftigen hatte.
  • Ob da möglicherweise über Umwegvermeidungen Einsparpotenziale realisierbar wären, soll hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls kann die Lektüre der sehr umfänglichen Entscheidungsgründe jedem angeraten werden, der Bedarf an tiefschürfenden begrifflichen Abgrenzungen zu den oben genannten sieben Detailfragen verspürt.

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

BC 4/2016

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