FG Münster, Urteil vom 7.11.2016, 7 K 3044/14 E (Revision zugelassen)
Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten stellen Darlehen aus dem Bekannten- und Familienkreis für kleinere Betriebe häufig die einzige realistische Finanzierungsquelle dar. Dabei ist anhand des Einzelfalls zu prüfen, ob die ausgereichten Gelder als Darlehen oder als Einlage zu erfassen sind. Das Finanzgericht (FG) Münster hat hierzu einige Kriterien aufgestellt.
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Problemstellung
Der Kläger übernahm im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von seinen Eltern ein Hotel unter Vorbehalt eines lebenslangen Wohnrechts und der Zahlung einer dauernden Last. Die Ehefrau des Klägers arbeitete als Angestellte in dem Hotel. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten konnte in den Streitjahren die dauernde Last an die Eltern nicht gezahlt werden. Ebenso floss der an die Ehefrau gezahlte Arbeitslohn wieder an den Betrieb zurück. Die Verbindlichkeiten gegenüber Eltern und Ehefrau wurden als kurzfristige Darlehen erfasst. Schriftliche Vereinbarungen zu den Darlehen existierten nicht; eine Verzinsung erfolgte ebenfalls nicht.
Im Rahmen einer steuerlichen Betriebsprüfung kam der Prüfer zu dem Schluss, dass die Darlehen mit einem Zinssatz von 5,5% pro Jahr abzuzinsen seien. Hierdurch ergab sich ein steuerlicher Mehrgewinn von rund 450.000 €.
In seiner Klage weist der Kläger darauf hin, dass die Darlehen einem Fremdvergleich nicht standhalten würden. Bei Vorliegen einer außerbetrieblichen Veranlassung seien die Beträge aber nicht als Darlehensverbindlichkeit zu passiveren und der Abzinsung zu unterwerfen, sondern als Einlage zu erfassen.
Aus Sicht des Finanzamts wurde der Darlehensvertrag tatsächlich durchgeführt, und die erhaltenen Mittel sind ausschließlich betrieblich verwendet worden. Laut BFH-Rechtsprechung tritt in diesem Fall die Unüblichkeit einzelner Klauseln des Darlehensvertrags zurück, und der Vertrag ist steuerlich anzuerkennen.
Lösung
Das FG Münster folgt in seinem Urteil der Auffassung des Klägers. Darlehen von nahen Angehörigen, die zwar zivilrechtlich, aber unter Heranziehung des Fremdvergleichs nicht steuerrechtlich anzuerkennen sind, sind dem Privat- anstatt dem Betriebsvermögen zuzuordnen. Laut BFH-Rechtsprechung können bei einer eindeutigen betrieblichen Veranlassung auch einzelne Klauseln des Darlehensvertrags unüblich sein, ohne dass hierdurch die steuerliche Anerkennung beeinträchtigt wird.
Im Ausgangsfall ist die Unüblichkeit einzelner Klauseln jedoch ohne Belang, da keine schriftlichen Darlehensverträge existieren. Außerdem konnten Eltern und Ehefrau aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Hotels nicht mit einer Rückzahlung der Darlehen rechnen. Hinzu kommt, dass Eltern und Ehefrau vom Fortbestand des Hotels abhängig waren, da ihnen Kost und Logis gewährt wurden und das Hotel die einzige Einkunftsquelle darstellte. Insofern ist nicht davon auszugehen, dass Eltern und Ehefrau mit dem Verzicht auf die ihnen zustehenden Zahlungen wirklich einklagbare Verbindlichkeiten schaffen wollten. Stattdessen standen private Motive bei der Darlehensgewährung im Vordergrund. Eine klare Abgrenzung der Darlehensverträge zu einer verschleierten Schenkung ist im Ausgangsfall ebenfalls nicht möglich.
Unter Berücksichtigung dieser Punkte kommt das FG Münster zu dem Schluss, dass das Darlehen steuerrechtlich nicht anzuerkennen ist und die Beträge als Einlage zu erfassen sind.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Vice President Audit, Operations & Reporting, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 1/2017
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