Dr. Hans-Jürgen Hillmer
BFH-Urteil vom 13.7.2016, VIII R 26/14
Betriebsausgaben, die für die Unterhaltung von Geschäftsfreunden aufgewendet werden, unterliegen als Aufwendungen für „ähnliche Zwecke“ nur dann dem Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG, wenn sich aus der Art und Weise der Veranstaltung und ihrer Durchführung ableiten lässt, dass es sich um Aufwendungen handelt, die für eine überflüssige und unangemessene Unterhaltung und Repräsentation getragen werden.
Praxis-Info!
Problemstellung
Bei der Bewirtung und Unterhaltung von Geschäftsfreunden sind die Grenzen zur steuerlichen Nichtanerkennung oder gar Bestechung oft fließend. Etwas entspannter dürften nun aber Veranstalter sog. Herrenabende aufgrund neuer BFH-Rechtsprechung sein. Hiernach fallen Betriebsausgaben für die Bewirtung und Unterhaltung von Geschäftsfreunden im Rahmen eines Gartenfests nicht zwingend unter § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG. Das dort festgeschriebene Abzugsverbot erfasst neben im Gesetz ausdrücklich genannten Regelbeispielen wie Aufwendungen für Jagd oder Fischerei sowie für Segel- oder Motorjachten auch Aufwendungen für „ähnliche Zwecke“.
Im nun dazu vom BFH entschiedenen Streitfall hatte eine Rechtsanwaltskanzlei in mehreren Jahren sog. „Herrenabende“ im Garten des Wohngrundstücks des namensgebenden Partners veranstaltet, bei denen bis zu 358 Gäste für Gesamtkosten von jeweils mehr als 20.000 € unterhalten und bewirtet wurden. Das zuvor mit dieser Sache befasste Finanzgericht Düsseldorf hatte das Abzugsverbot bejaht, weil die Veranstaltungen „Eventcharakter“ gehabt hätten und ein geschlossener Teilnehmerkreis vorgelegen habe. Allerdings hatte das FG nicht die betriebliche Veranlassung der betreffenden Aufwendungen verneint, sondern die Ansicht vertreten, dass diese betriebliche Veranlassung durch Zwecke der Unterhaltung und Repräsentation überlagert worden sei (vgl. Hillmer im BC-Newsletter vom 31.7.2014). Das hatte den Verfasser dieser Zeilen im Rahmen der Besprechung der vorinstanzlichen Entscheidung zu der Schlussfolgerung geführt, dass Herrenabende nicht in die Gewinnermittlung gehören, offene Informationsveranstaltungen aber schon.
Lösung
In München wird offenbar großzügiger gedacht als in Düsseldorf; denn nach dem nun am 30.11.2016 veröffentlichten Urteil des BFH vom 13.7.2016 könnten es Herrenabende doch in die GuV schaffen: Nur wenn deren Durchführung – so die Einschränkung der Münchner BFH-Richter – als eine überflüssige und unangemessene Unterhaltung und Repräsentation anzusehen ist, greife das Abzugsverbot. Die bloße Annahme eines Eventcharakters reiche hierfür nicht aus, da die unter das Abzugsverbot fallenden Aufwendungen für „ähnliche Zwecke“ wie bei den Regelbeispielen „unüblich“ sein müssen. Dies könne aufgrund eines besonderen Orts der Veranstaltung oder der Art und Weise der Unterhaltung der Gäste der Fall sein.
Deshalb hat der BFH im Streitfall das Urteil des FG (vom 19.11.2013, Az.: 10 K 2346/11 F) aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Das FG hat nun im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob die Art und die Durchführung der „Herrenabende“ den Schluss zulassen, dass diese sich von „gewöhnlichen Gartenfesten“ abheben und mit der Einladung zu einer Segelregatta oder Jagdgesellschaft vergleichbar sind.
- So wie im nun entschiedenen Fall die Düsseldorfer Richter werden mit ähnlichen Konstellationen befasste Bilanzbuchhalter nach den BFH-Vorgaben die Unangemessenheit solcher Aufwendungen im Rahmen der „Ähnlichkeitswertung“ zu prüfen haben und dabei ganz konkret die Art und Weise der Veranstaltung, in der die Geschäftsfreunde unterhalten werden, unter die Lupe nehmen müssen. Ob das jedem Chef gefallen wird, wenn ihm seine Buchhalter den Unüblichkeitsspiegel und darin sichtbare Ausschweifungen vorhalten, sei hier dahingestellt.
- Aufgabe ist es jedenfalls in der Buchhaltungs- und Beratungspraxis, den Anschein von dem Grunde nach „unüblichen Aufwendungen“ zu vermeiden. Das stellt sich der BFH so vor: Es sind besondere Umstände zu erforschen, die die Veranstaltung von einer gewöhnlichen Feierlichkeit abheben könnten.
- Wer jemals an anderer Stelle ein Übermaß an unbestimmten Rechtsbegriffen beklagt hat, dürfte nun den Münchner Verfassern dieser höchstrichterlichen Entscheidungsgründe für neues Argumentationsfutter zu Dank verpflichtet sein: Was sind gewöhnliche Feierlichkeiten, und was sind unübliche Orte oder besondere Unterhaltungsumstände?
- Sicher scheint zunächst nur, dass die steuerliche Allgemeinheit Herrenabende in Form von Bordellbesuchen oder der heimischen Vergnügung mit sonst dort tätigen Damen und Herren nicht mitfinanzieren muss – und das auch dann nicht, wenn mit der Verbannung der geladenen Herren in den Garten auf die (nicht geladene) eigentliche Dame des Hauses wenigstens mit räumlicher Distanz ein wenig Rücksicht geübt wird.
- Wenn nun allerdings nicht wie im Streitfall der Namensgeber einer Rechtsanwaltskanzlei geladen hätte, sondern eine „Hamburger Kiez-Größe“, dann wäre die vorgenannte Einschränkung möglicherweise schon wieder hinfällig. Denn dann müssten ja wohl andere Vorstellungen hinsichtlich der Üblichkeit auch steuerlich Akzeptanz finden, indem branchenspezifische Umstände oder gar Vorlieben berücksichtigt werden.
- Nicht bekannt ist, ob die vom BFH offenbar befürchtete Diskriminierung ehrenwerter Herrenabende damit zu tun hat, dass auch Richter teilgenommen haben könnten und man deshalb kollegiale Empfindungen zwar nicht unterstellen darf, aber – so die anderenorts gerichtsseitig oft bemühte Lebenserfahrung – auch nicht völlig ausschließen kann.
- Bekannt ist – und dies sogar im Sinne von „vom BFH abgesegnet“ – nun jedenfalls, dass bühnenreife Unterhaltungsprogramme einer steuerlichen Anerkennung auch dann nicht entgegenstehen, wenn sie im privaten Ambiente angeboten werden. Das gilt in diesen Adventstagen auch und gerade für dort auftretende Weihnachtsmänner, die ja von Natur aus nicht befürchten müssen, von Herrenabenden ausgeschlossen zu sein. Sie dürfen dann die männlichen Geschäftsfreunde nach der Artigkeitsprüfung mit Geschenken erfreuen, wohingegen ein Christkind-Besuch den Herren vielleicht unangenehm aufstoßen könnte.
- Allerdings sollten die Weihnachtsmänner keinesfalls auf die Idee kommen, sich nicht standesgemäß in Rot zu kleiden und rasiert aufzutreten, denn dann wäre ja der Tatbestand der Unüblichkeit erfüllt und der Betriebsausgabenabzug verschenkt. Im Ergebnis würde bei Verstoß gegen die Üblichkeitsformel von der Bescherung dann ja nicht die rechtsanwaltliche GuV, sondern womöglich die Allgemeinheit profitieren.
- Das aber werden findige Berater nun sicher unter Verweis auf die top-aktuelle BFH-Rechtsprechung zu verhindern wissen. Und wenn dann wegen allseits großer Ergriffenheit nur wenige Tage später auch ein Neujahrsempfang in Form eines Herrenabends üblich genug gestaltet wird, könnte man sich gleich ein weiteres Mal auf den Polstern eines entsprechenden Betriebsausgabenabzugs den damenlosen Freuden widmen.
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Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld
BC 1/2017
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