BFH-Urteil vom 29.3.2017, I R 48/16
Die Frage, ob ein Gesellschafter-Geschäftsführer als Angestellter oder Selbstständiger tätig ist, hat sowohl steuerliche als auch sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen. Der BFH zeigt nun erneut auf, dass es bei der Beurteilung auf den Einzelfall ankommt.
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Problemstellung
Der Kläger war zunächst Mitgesellschafter-Geschäftsführer – später dann Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer einer luxemburgischen S.a.r.l.
Das Finanzamt wertete die Gehaltszahlungen der S.a.r.l. als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und unterwarf sie gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Luxemburg und Deutschland dem Progressionsvorbehalt.
Das erstinstanzliche Finanzgericht gab dem Finanzamt recht und führte an, dass der Beteiligungsquote von Rechts wegen keine Bedeutung bei der Beurteilung der Frage, ob ein Angestelltenverhältnis oder eine Selbstständigkeit vorliegt, beigemessen wird.
Lösung
Der BFH hebt mit seinem Urteil das erstinstanzliche Finanzgerichtsurteil auf und verweist es an das FG zurück. Gemäß § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 LStDV liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Angestellte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist immer dann der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im Betrieb des Arbeitgebers verpflichtet ist, dessen Weisungen zu folgen.
Der BFH hat mehrfach klargestellt: Der Arbeitnehmerbegriff lässt sich nicht durch Aufzählung feststehender Merkmale abschließend bestimmen, da diese im Einzelfall zu gewichten und gegeneinander abzuwägen sind. Somit ist im jeweiligen Einzelfall das Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen.
Die Beteiligungsquote eines Gesellschafter-Geschäftsführers ist ein solches Merkmal. Der BFH weist ausdrücklich darauf hin, dass eine Mehrheitsbeteiligung nicht automatisch die Arbeitnehmereigenschaft ausschließt, sondern lediglich als Indiz anzusehen ist. So kann auch ein Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer weisungsgebunden und in die betriebliche Organisation eingegliedert sein. Hier unterscheiden sich Steuer- und Sozialversicherungsrecht, da im Letzteren GmbH-Gesellschafter regelmäßig Selbstständige sind, wenn sie zugleich Geschäftsführer der Gesellschaft und Mehrheitsgesellschafter sind.
Der BFH macht auch deutlich, dass zwischen der S.a.r.l. und dem Kläger kein Anstellungsvertrag besteht. Von daher hat das FG zu prüfen, ob die Zahlungen der Gesellschaft wirklich aus dem Arbeitsverhältnis oder nicht vielmehr aus dem Gesellschafterverhältnis resultieren und im letzteren Fall als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu werten sind.
- Ein wichtiges Indiz ist der Anstellungsvertrag. Ist z.B. ein Gesellschafter-Geschäftsführer vertraglich verpflichtet, eine feste Anzahl von Arbeitsstunden pro Woche/pro Tag zu leisten, sich bei Urlaub oder Krankheit schriftlich abzumelden etc., so deutet dies auf ein Angestelltenverhältnis hin.
- Ein fremder Dritter wird in der Regel nicht ohne Arbeitsvertrag tätig. Das Fehlen eines Arbeitsvertrags kann daher den Fremdvergleichsgrundsatz verletzen und – wie vom BFH angedeutet – zu Einkünften aus Kapitalvermögen und eventuell sogar zu verdeckten Gewinnausschüttungen führen.
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Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Vice President Audit, Operations & Reporting, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 10/2017
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