BFH-Beschluss vom 16.4.2018, X B 13/18 (NV)
Die im BMF-Schreiben vom 27.4.2017 (BStBl. I 2017, 741) vorgesehene weitere Anwendung des sog. Sanierungserlasses auf Altfälle ist aufgrund des Fehlens einer entsprechenden gesetzlichen Übergangsregelung mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht vereinbar (Bestätigung der bisherigen BFH-Rechtsprechung).
Die Wiederholung der Verwaltungsauffassung durch das BMF-Schreiben vom 29.3.2018 (BStBl. I 2018, 588) ändert daran nichts.
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Problemstellung
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) halten es für grundsätzlich bedeutsam (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), ob das BMF-Schreiben vom 27.4.2017 (BStBl. I 2017, 741) aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung und der Grundsätze des Vertrauensschutzes weiter angewendet werden müsse. Daher wollten sie gegen ein Urteil des Sächsischen Finanzgerichts die Zulassung zur Revision beim BFH erwirken, was jedoch das Finanzgericht abgelehnt hatte.
Lösung
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision ist laut BFH unzulässig.
Die eingangs beschriebene Frage der Kläger ist bereits durch die vorliegende Rechtsprechung mehrerer Senate des Bundesfinanzhofs (BFH) dahingehend geklärt: Das genannte BMF-Schreiben hat keine Rechtsgrundlage und darf daher im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens nicht beachtet werden (BFH-Urteile vom 23.8.2017, I R 52/14, BFHE 259, 28, BStBl. II 2018, 236, und BFHE 259, 20, BStBl. II 2018, 232; Verfassungsbeschwerde unter dem Az. 2 BvR 2637/17 anhängig). Daran ändert auch die Wiederholung der Verwaltungsauffassung durch das zu § 227 AO ergangene und erst nach Einreichung der Beschwerdebegründung veröffentlichte BMF-Schreiben vom 29.3.2018 (BStBl. I 2018, 588) nichts.
Die Kläger berufen sich insoweit darauf, dass es einer einheitlichen Rechtsprechung zu der Frage bedürfe, ob den einzelnen Steuerpflichtigen aufgrund des genannten BMF-Schreibens ein Billigkeitserlass von Sanierungsgewinnen zu gewähren oder zu versagen ist. Es fehlt aber an Darlegungen dazu, dass diese Frage in der Rechtsprechung umstritten ist. Sie wird vielmehr – dies zeigen die oben zitierten BFH-Entscheidungen – von der höchstrichterlichen Rechtsprechung einhellig beurteilt.
Die Kläger führen an, sie hätten in ihrem Schriftsatz vom 14.12.2017 behauptet und unter Beweis gestellt, die Banken hätten auf weitere Forderungen im Umfang der festgesetzten Steuerschuld verzichtet, wenn sie seinerzeit bereits gewusst hätten, dass das BMF-Schreiben zum Billigkeitserlass in Sanierungsfällen nicht angewendet würde.
Das Finanzgericht hat diese Behauptung jedoch zu Recht nicht für entscheidungserheblich gehalten. Es hat das Schreiben vom 14.12.2017 zutreffend als „neuen Erlassantrag“ angesehen, den zunächst der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) zu bescheiden hat. Damit ist eine Berücksichtigung dieser neu vorgetragenen Umstände, die die Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 26.6.2017 aufgebracht hatten, im vorliegenden finanzgerichtlichen Verfahren nicht möglich.
Laut dem BMF-Schreiben vom 29.3.2018 (BStBl. I 2018, 588) ist der Sanierungserlass für Altfälle bis (einschließlich) zum 8.2.2017 weiterhin anzuwenden. Das heißt: Bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen wird die Einkommen-/Gewerbesteuerbefreiung des Sanierungsgewinns gewährt. Das Bundesfinanzministerium hatte hierbei die beiden oben genannten BFH-Urteile vom 23.8.2017 für nicht allgemein anwendbar erklärt. Durch das „Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen“ vom 27.6.2017 wurden mit § 3a EStG („Sanierungserträge“) und § 7b GewStG („Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags bei unternehmensbezogener Sanierung“) zwischenzeitlich gesetzliche Regelungen zur Behandlung eines Sanierungsgewinns geschaffen. Umstritten war (und ist), ob diese Regelungen auch auf Altfälle Anwendung finden können. |
[Anm. d. Red.]
BC 7/2018
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