BFH-Beschluss vom 21.3.2019, VIII B 129/18
1. Ist ein abgrenzbarer Teil von Aufwendungen – als Ergebnis der hierfür erforderlichen Ermittlungen – beruflich veranlasst, bereitet seine Quantifizierung aber Schwierigkeiten, so ist dieser Anteil unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu schätzen.
2. Dies gilt auch dann, wenn im Rahmen eines Kanzleifests („sog. Herrenabend“) Mandanten, potenzielle Neu-Mandanten und Geschäftsfreunde eingeladen werden, sich aber weder abschließend beurteilen lässt, welche der eingeladenen Personen auf der Feier tatsächlich erschienen sind, noch aufgrund der zahlreichen persönlichen und geschäftlichen Beziehungen zu den eingeladenen Gästen abschließend beurteilt werden kann, bei welchem Gast von einer überwiegend beruflich veranlassten Einladung auszugehen ist.
[Leits. durch Red. geändert]
Praxis-Info!
Problemstellung
Eine Kanzlei hatte persönlich angesprochene Mandanten, potenzielle Neu-Mandanten, gute Geschäftskontakte sowie Persönlichkeiten aus Verwaltung, Politik, öffentlichem Leben und Vereinen zu einer Firmenfeier eingeladen. Die Aufwendungen der Firmenfeier wurden gänzlich als Betriebsausgaben abgezogen. Die Kanzlei sah in den Einladungen eine untergeordnete private Mitveranlassung.
Angesichts der bestehenden Unsicherheit, welcher Anteil der Aufwendungen als betrieblich veranlasst zu sehen sei, hatte das Finanzamt den Betriebsausgabenabzug nicht zugelassen.
Lösung
Gemäß den Einladungslisten und einer Durchschnittsbetrachtung ergab sich im Streitfall folgendes Bild:
- 55% der eingeladenen Gäste sind Mandanten der Kanzlei gewesen,
- zwischen 6% bis 8% der eingeladenen Gäste zählten zu potenziellen Neu-Mandanten, und
- 38% bis 40% der Gäste sind Geschäftskontakte gewesen.
Nach Auswertung der Einladungslisten der Gäste und deren Einteilung in Mandanten, potenzielle Neumandanten, Geschäftskontakte und Vertreter des öffentlichen Lebens ergab sich somit, dass es bei den „Herrenabenden“ der Streitjahre einen ohne Zweifel abgrenzbaren beruflich veranlassten Anteil an Gästen gab.
Eine genaue Quantifizierung der betrieblich veranlasst eingeladenen und tatsächlich erschienenen Gäste war allerdings nicht möglich. Zwar konnten die Einladungslisten und Rückantworten ausgewertet werden, aber es wurden keine Teilnehmerlisten geführt. Die Einladung einer nicht unerheblichen Anzahl von Mandanten und Geschäftskontakten ist zumindest auch oder in nicht unerheblichem Umfang als persönlich veranlasst anzusehen, weil diese Gäste mit einer besonderen persönlichen Ansprache eingeladen worden sind (Einladung aufgrund persönlicher Verbundenheit).
Anknüpfend an diese Feststellungen wurde (gemäß § 162 AO) geschätzt, dass die Aufwendungen für die Herrenabende zur Hälfte betrieblich veranlasst gewesen und in dieser Höhe abzugsfähig sind. Die Gewährung eines hälftigen Betriebsausgabenabzugs, der niedriger als der festgestellte Anteil der Mandanten, potenziellen Neu-Mandanten und der Geschäftskontakte an den eingeladenen Gästen war, ist angemessen. Damit wird den Unsicherheiten, welche Gäste tatsächlich anwesend waren und ob Gäste aus vorwiegend oder nicht unerheblich privaten Gründen eingeladen worden waren, Rechnung getragen.
Ergebnis: Sofern eine (erhebliche) private/persönliche Mitveranlassung der Aufwendungen für eine Firmenfeier gegeben und damit eine Aufteilung der Kosten in betrieblich und privat veranlasste Aufwendungen nicht eindeutig möglich ist, darf die Gewährung eines Betriebsausgabenabzugs im Wege der Schätzung nicht von Vornherein ausgeschlossen werden. Dies gilt auch für objektiv nicht trennbare gemischt veranlasste Kosten, die dann anteilig zu schätzen wären. Das Schätzergebnis darf nicht willkürlich und realitätsfremd ausfallen, sondern hat wirtschaftlich vertretbar zu sein. |
[Anm. d. Red.]
BC 7/2019
becklink417917