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Reparaturgesetze in Polen: Der schwierige Weg zurück

Seit der Bildung der neuen Regierung in Polen sind fast sechs Monate vergangen. Seinerzeit hat sich die Justiz Polens auf den Weg gemacht, die autokratische Ära zu verlassen. Doch es zeigt sich: Der Weg ist weit. Von Dorota Zabłudowska

Es ist offensichtlich, dass die Reparatur des gesamten Rechtssystems Zeit braucht. Es kann nicht erwartet werden, dass die Schäden, die acht Jahre lang entstanden sind, über Nacht behoben werden. Was jedoch fehlt, ist ein konsequenter Aktionsplan. Zunächst soll hier auf die Höhepunkte der zurückliegenden Monate eingegangen werden, wofür der Regierung Anerkennung zu zollen ist. Leider geht das Lob mit Kritik an der Nichteinhaltung des vorgegebenen Zeitplans einher. Nach mehrmonatigen Beratungen hat Justizminister Adam Bodnar Schritte zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit angekündigt.

Der Landesjustizrat

Der Landesjustizrat war die erste Institution auf der Liste, um die es geht. Zunächst musste das Parlament einen Gesetzentwurf zur Wahl der Mitglieder des Rats verabschieden. Dies hätte bis März geschehen sollen. Der zweite Schritt sollte dann die endgültige Regelung des künftigen Nominierungsprozesses der Mitglieder des Landesjustizrats und der Umgang mit denjenigen Richtern sein, die unter politischer Einflussnahme der vormaligen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in das Gremium gelangten. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um 23 der 25 Mitglieder, die nicht als unabhängig geltenkönnen. Auch hier hätte es bis Mai eine Lösung geben sollen.

Leider hat es hier schon ernsthafte Hürden gegeben. Nur das Gesetz über die Wahl der richterlichen Mitglieder des Landesjustizrats hat das Parlament bisher erreicht. Darüber hinaus hat der Senat, die oberste Kammer des Parlaments, eine Korrektur vorgenommen, die es den unter der PiS-Regierung nominierten Mitgliedern ermöglicht, ebenfalls zu kandidieren, was das gesamte Projekt verfassungsrechtlich fragwürdig macht.

Der Senat argumentiert, es bestehe die Chance, dass der polnische Präsident Andrzej Duda, der seit 2015 amtiert, dann kein Veto gegen das Gesetz einlegen würde. Es bleibt aber die Frage, welchen Unterschied es machen würde, wenn der Wahlprozess für den Rat doch mit Makeln behaftet wäre. Wäre es da nicht besser, noch zu warten und ein ordentliches Gesetz zu erlassen, das den Verfassungsstreit beendet? Schließlich geht es nicht nur um die Richter. Es geht um Hunderttausende von Gerichtsentscheidungen, die in den kommenden Jahren untergraben werden könnten. Was ist dagegen der Zeitraum von einem Jahr bis die Amtszeit Dudas endet?

Streitpunkt Oberster Gerichtshof

Auch der Oberste Gerichtshof ist eine große Baustelle. Dazu gehört die Abschaffung des außerordentlichen Berufungsverfahrens, das die Aufhebung eines rechtskräftigen Urteils noch viele Jahre nach dessen Erlass ermöglicht. Dieses Instrument wurde von der vorherigen Regierung als Methode zur Bekämpfung von Gegnern eingesetzt, sei es ein Richter, der nicht stillhalten wollte oder die Solidarnosc-Legende Lech Walesa. Dieses Verfahren wurde ausschließlich von einer im Obersten Gerichtshof geschaffenen Sonderkammer geführt – der Kammer für außerordentliche Revisionen und öffentliche Angelegenheiten, die ausschließlich mit Richtern besetzt war, die unter der PiS-Regierung ins Amt kamen. Dieses Vorgehen wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in der berühmten Rechtssache Walesa gegen Polen in einem Grundsatzurteil vom 23. November 2023 als gegen die Europäische Menschenrechtscharta verstoßend entschieden. Der Gerichtshof beschloss, Polen ein Jahr Zeit zu geben, um diese Fragen zu klären. Die Zeit vergeht wie im Flug, und bisher wurde dem Parlament noch kein Gesetz vorgelegt. Es sei daran erinnert, dass die Gesetze über den Obersten Gerichtshof dem Aktionsplan zufolge im Mai vom Justizministerium vorgelegt hätten werden müssen.

Das Verfassungsgericht

Für rechtsstaatliche Reparaturen am Verfassungsgericht liegt dem Parlament ein Gesetzentwurf vor. Ende Mai fand eine öffentliche Anhörung dazu statt. Die Aussicht, dass es in Kraft tritt, ist angesichts des sicheren Vetos des Präsidenten ziemlich gering. Positiv ist zu bewerten, dass zumindest ein Gesetz vorliegt, das durchgebracht werden könnte, wenn sich die politische Möglichkeit ergibt.

Die Staatsanwaltschaften

Die Regierung erkennt die Notwendigkeit an, dass der Justizminister nicht gleichzeitig Generalstaatsanwalt sein kann. Doch bisher liegt kein Gesetzentwurf zur Änderung vor.

Aber es gibt auch hier Licht am Ende des Tunnels. Justizminister Bodnar hat Kodifizierungskommissionen für Zivilrecht, Strafrecht und das System der Gerichte und Staatsanwaltschaften ernannt. Diese Gremien haben sofort mit der Arbeit begonnen und es gibt erste Ergebnisse, etwa das dringend benötigte Reparaturgesetz für das Strafgesetzbuch und die Prozessordnung. Es ist das politische Ziel – etwas optimistisch angesichts des derzeitigen Tempos –, dass das gesamte Reparaturpaket nach angemessenen öffentlichen Beratungen und harter Gesetzgebungsarbeit direkt nach der Präsidentschaftswahl 2025 in Kraft treten kann. Deshalb sollte alles so schnell wie möglich vorbereitet werden.

Der Wiederaufbau- und Resilienzfondsfür Polenwurde indessen schon freigegeben. Die Europäische Kommission hat das Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen Polen im Mai eingestellt. Es bleibt aber die Frage, ob dies auf die Ergebnisse zurückzuführen ist, die die aktuelle polnische Regierung bei der Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit vorgelegt hat, oder ob es ein reines Zeichen des guten Willens seitens der EU-Kommission ist. Ich würde Letzteres behaupten. Wir haben eine einmalige Chance zu beweisen, dass wir Vorreiter positiver Veränderungen und harter Arbeit sind. Bisher hat die neue Regierung hauptsächlich Versprechen gemacht. Drücken wir die Daumen, dass sie die angekündigten Reformen umsetzen kann. Polen ist schließlich der Staat in der Mitte Europas, der den Westen vor den Bedrohungen aus dem Osten schützt. Wir gehören zur Europäischen Gemeinschaft und ich hoffe, dass wir dies erneut beweisen können.

Dorota Zabłudowska ist Richterin und Mitglied des Vorstands der Richtervereinigung Iustitia in Polen.
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