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Bürokratie-Ungetüm in der Bundestags-Beratung

Das Cannabisgesetz wird im Bundestag beraten und stößt dabei auf Kritik. Bürokratische Regelungen stehen möglichen positiven Effekten entgegen. Von Kristine Lütke

Die Politik der Prohibition in Bezug auf Cannabis in Deutschland ist gescheitert. Über den Schwarzmarkt fließen jedes Jahr Milliardensummen in das organisierte Verbrechen. Täglich wird Cannabis mit unbekannten THC-Gehalten, schädlichen Beimischungen und Verunreinigungen mit einem hohen Risiko für die Gesundheit der Konsumierenden und dem Risiko des Angebots weiterer härterer Drogen durch Dealer verkauft. Die Nutzerinnen und Nutzer bilden dabei nicht nur eine Randgruppe: Laut Schätzungen konsumieren rund vier Millionen Menschen in Deutschland regelmäßig Cannabis als Genussmittel. Damit ist Cannabis die am häufigsten illegal konsumierte Droge in Deutschland. Die Repressionspolitik trägt allerdings seit Jahrzehnten dazu bei, dass alle Cannabiskonsumenten in die Kriminalität getrieben werden und verhindert einen verantwortungsvollen sowie selbstbestimmten Umgang mit Cannabis. Diesen trauen Gesellschaft und Politik Konsumierenden sowohl bei Nikotin als auch bei Alkohol zu.

Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel: Daher hat sich die Koalition aus SPD, Grünen und FDP auf eine kontrollierte Freigabe von Cannabis für Erwachsene geeinigt. Im April 2023 veröffentlichte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) einen Zwei-Säulen-Plan, um Cannabis zu legalisieren. Säule eins besteht hauptsächlich aus dem Cannabisgesetz (CanG), welches Cannabis entkriminalisiert, indem grundsätzlich der Besitz von bis zu 25 Gramm für über 18-Jährige und der Anbau von maximal drei Pflanzen zum Eigenbedarf erlaubt werden. Zudem kann Cannabis über sogenannte Cannabisclubs, die als Vereine oder Genossenschaften organisiert sind, von deren Mitgliedern zum Eigenkonsum erworben werden. Im Rahmen von Säule zwei soll zu einem späteren Zeitpunkt durch Modellprojekte der Verkauf von Cannabis als Genussmittel in zertifizierten und staatlich kontrollierten Fachgeschäften an über 18-Jährige erlaubt werden.

Das Cannabisgesetz ist ein guter erster Schritt auf dem Weg zur vollständigen Legalisierung von Cannabis, denn erstmals werden legale Bezugsquellen für Konsumentinnen und Konsumenten abseits des Schwarzmarktes geschaffen und der Zugang zu kontrolliert angebautem und schadstofffreiem Cannabis ermöglicht. Doch gleichzeitig bleibt das Gesetz deutlich hinter dem ursprünglich gefassten Ziel der Legalisierung von Cannabis zurück. Hinzu kommt, dass viele kleinteilige Regelungen zu Cannabisclubs und für Konsumentinnen und Konsumenten bürokratische Hürden schaffen, die durch Länder und Kommunen nicht nachhaltig und umfassend zu kontrollieren sind und die Strafverfolgungsbehörden zusätzlich belasten. Für Cannabisclubs sind strenge Auflagen geplant: Jede Vereinigung muss einen Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragten ernennen und wird verpflichtet, Kooperationen mit regionalen Suchtpräventions- oder -beratungsstellen einzugehen. Ebenso gelten Mindestabstände zu Schulen und Kitas sowie anderen Einrichtungen, die die Suche nach geeigneten Standorten erheblich erschweren sowie teure Mindestschutzmaßnahmen (beispielsweise einbruchsichere Räumlichkeiten und Umzäunung), die von den Vereinigungen eingehalten werden müssen. Außerdem stellen die geplanten Kontrollregelungen hinsichtlich der Einhaltung der Mengen- und Qualitätsvorgaben einen massiven Verwaltungs- und Vollzugsaufwand für Länder und Kommunen dar. Paradoxerweise ist derzeit im Entwurf des CanG angedacht, den Konsum in den Räumlichkeiten der Vereinigung zu verbieten und ebenso für den Konsum Abstandsgebote von 200 Metern um Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen festzulegen. Dieses strikte Konsumverbot ist ebenfalls nur schwer kontrollierbar und der Nutzen für den Jugendschutz eher fragwürdig. Darüber hinaus sind die Clubs der Gemeinnützigkeit verpflichtet, was erhebliche Zweifel am Bestand dieser in Anbetracht der erwartbaren Kosten durch das Gesetz aufwirft.

Auch die Begrenzung auf eine Mitgliedschaft in einer Vereinigung sollte überdacht werden, denn eine Überprüfung wäre allein durch ein zentrales Register möglich, welches auf erhebliche rechtliche Bedenken stößt. Außerdem muss die derzeit im Gesetzentwurf vorgesehene Besitzobergrenze von 25 Gramm wegfallen, bei Alkohol oder Nikotin bestehen in dieser Hinsicht schließlich auch keine Begrenzungen. Statt dieser teilweise überbordenden Vorgaben sind verhältnismäßige und treffsichere Regularien, die für echten Jugendschutz sorgen und gleichzeitig nicht zu einer Mehrbelastung von Polizei und Justiz führen, notwendig. Denn die Länder dürfen durch das CanG nicht überfordert werden. Gerade aus Richtung des Bundesrats war die Kritik in den vergangenen Wochen am lautesten. Dies hat zwar primär parteipolitische und eher nachrangig gesetzgeberische Gründe, doch auch diese müssen ernst genommen werden. Die Bedenken der Länder lassen sich vor allem in zwei Kategorien einordnen. Zum einen wird kritisiert, dass die Strafverfolgungsbehörden nicht ausreichend entlastet, sondern eher belastet würden. Als FDP-Fraktion stimmen wir Teilen dieser Kritik zu, denn das CanG ist für Konsumierende, Anbauvereine und Behörden gefüllt mit unnötigen Regelungen, die kaum eine realistische Aussicht auf Einhaltung oder Verfolgung haben.

Auf der anderen Seite der Kritik des Bundesrats stehen angebliche Unzulänglichkeiten des Gesetzes bei Gesundheits- und Jugendschutz sowie der Eindämmung des Schwarzmarktes. Hier liegt ein grundsätzliches Problem des CanG: Entkriminalisierung und begrenzte Abgabe durch Vereine für den Eigenkonsum oder der Eigenanbau lösen nicht alle Probleme rund um die Prohibition. Für einige Menschen, vor allem Gelegenheitskonsumenten, wird es weiterhin schwierig sein, an qualitätsgesichertes sowie bezahlbares Cannabis zu gelangen. Auch der Schwarzmarkt wird nur teilweise zurückgedrängt werden können.

Diese Ziele lassen sich verlässlich nur mit der Einführung von Säule zwei, dem Verkauf von Cannabis als Genussmittel in zertifizierten Verkaufsstellen, erreichen. Die Freien Demokraten halten deshalb weiterhin an einer umfassenden Legalisierung von Cannabis fest, denn nur so können Gesundheits-, Verbraucher- und Jugendschutz mit gleichzeitiger wirksamer Kriminalitätsprävention langfristig erreicht werden. Allein der legale Verkauf von Cannabis sorgt für eine Entlastung von Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten. Mittels Steuern und Abgaben in Milliardenhöhe kann zudem bessere und zielgenauere Präventionsarbeit, insbesondere bei Jugendlichen und in der Suchtberatung, finanziert werden. Klar ist: Die Regularien für die Cannabislegalisierung müssen sich stets daran messen, dass sie Jugend-, Verbraucher-, und Gesundheitsschutz nicht im Weg stehen, sondern genau diese Ziele erreichen. 

Kristine Lütke (FDP), Pflegeunternehmerin, ist sucht- und drogenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Deutschen Bundestag.
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