Nach Art. 25 ff. VO/EU 2016/399 (Schengener Grenzkodex) sind Grenzkontrollen unter bestimmten Voraussetzungen zulässig und damit auch eine Einreiseverweigerung an der Grenze (Art. 14). Gemäß Art. 3 Abs. 1 VO/EU 604/2013 (Dublin III) prüft ein Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz auch dann, wenn er an der Grenze gestellt wird. Dies gilt auch für die vorgelagerte Prüfung, welcher Mitgliedstaat nach Kapitel III zuständig ist, gewährt allerdings kein temporäres Aufenthaltsrecht. Art. 3 Abs. 3 bestimmt vielmehr ausdrücklich, dass der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat den Asylbewerber in einen sicheren Drittstaat zurück- oder ausweisen kann, im Falle Deutschlands also in alle Nachbarstaaten. Ein Recht, sich den Zielstaat auszusuchen, verleiht die Dublin-III-Verordnung nicht. Art. 18 betrifft dagegen nur die Verpflichtungen des materiell zuständigen Mitgliedstaats.
Dies deckt sich mit Art. 3 Abs. 1 RiL 2013/32 (Asylverfahrensrichtlinie). Er gilt für alle Anträge auf internationalen Schutz, die im Hoheitsgebiet einschließlich an der Grenze etc. gestellt werden, betrifft allerdings nur das materielle Verfahren auf internationalen Schutz. Für dieses gewährt Art. 9 temporären Schutz, der jedoch nicht eingreift, wenn der Antragsteller aus einem sicheren Drittstaat kommt. Nach Art. 38 Abs. 1 können die Mitgliedstaaten nämlich das Konzept des sicheren Drittstaats anwenden, wenn sie sich davon überzeugt haben, dass eine Person, die um internationalen Schutz nachsucht, in dem betreffenden Drittstaat nach im Einzelnen aufgelisteten Grundsätzen behandelt wird. Verleiht die RiL 2013/32 schon für das reguläre Verfahren kein temporäres Aufenthaltsrecht, so gilt dies für das vorgelagerte Dublin-Verfahren erst recht.
Gleichwohl können Betroffene gegen die Zurückweisung Rechtsschutz suchen – allerdings vom sicheren Drittstaat aus. Das Refoulement-Verbot (Art. 3 EMRK) greift hier nicht, denn den Betroffenen droht in Österreich, Polen etc. keine Verfolgung. Auch zu „refugees in orbit“ werden sie nicht, befinden sie sich doch auf dem Territorium eines sicheren Drittstaates. Von dort können sie – wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 22. September 2023 entschieden hat – nur unter den Voraussetzungen von Art. 14 RiL 2008/115 (Rückführungsrichtlinie) zurückgeführt werden. Im Übrigen gilt die Dublin-III-Verordnung.
Selbst wenn man das anders sähe, bleibt der Rückgriff auf Art. 72 AEUV. Dieser erlaubt es den Mitgliedstaaten, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und zum Schutz der inneren Sicherheit von den oben genannten Regelungen abzuweichen. Seine Voraussetzungen können bei einer konkreten Gefahr ebenso vorliegen wie bei einer Gesamtschau von mit der Migration zusammenhängenden Problemen: einem Anstieg von Straftaten gegen Leib und Leben, sich häufenden Anschlägen, einer anhaltenden Überlastung der Unterbringungs- und Versorgungsmöglichkeiten etc.
Würde die Dublin-III-Verordnung funktionieren, dürfte es in Deutschland praktisch keine Asylbewerber geben. Seit mehr als 20 Jahren sind es jedoch bis zu 70 Prozent der Schutzsuchenden in der EU. Offenkundig leidet die Dublin-III-Verordnung an einem strukturellen Vollzugsdefizit. Sie ist daher nichtig (BVerfGE 133, 168 Rn. 116 ff.). Dann aber greift nach Art. 16a Abs. 5 GG die deutsche Regelung über sichere Drittstaaten (Art. 16a Absatz 2 GG, § 18 AsylG).