driz-logo
Menü

Pro und Contra

Einsatzregeln für V-Personen schärfen?

Die Bundesregierung will den Einsatz von Vertrauenspersonen gesetzlich neu regeln. Während die FDP im Bundestag das unterstützt, formiert sich in der SPD Widerstand gegen die Pläne.
Konstantin Kuhle (FDP) ist stellvertretender Vorsitzender seiner Bundestags­fraktion, in der er den Arbeitskreis III leitet, der für die Innen- und Rechtspolitik zuständig ist.

„Ich rate jedem davon ab, V-Mann zu werden.“ So äußerte sich die unter dem Tarnnamen Murat Cem bekannt gewordene Vertrauensperson, die von der Polizei im Umfeld des späteren Attentäters am Berliner Breitscheidplatz Anis Amri eingesetzt worden war, in einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags. Ob im Zusammenhang mit dem islamistischen Anschlag am 19. Dezember 2016 oder bei der Aufarbeitung der Mordserie des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrundes – immer wieder scheiterte in Deutschland die Abwehr schwerwiegender terroristischer Gefahren am mangelhaften Einsatz sogenannter Vertrauenspersonen durch die Polizei. Zahlreiche Abschlussberichte von Untersuchungsausschüssen enthalten die Forderung, endlich eine Rechtsgrundlage für den Einsatz von Vertrauens­personen in der Strafprozessordnung zu schaffen.

Während die Polizeigesetze von Bund und Ländern sowie die gesetzlichen Grundlagen für die Arbeit der Nachrichtendienste längst derartige Regelungen enthalten, fehlt sie bislang ausgerechnet für den Bereich der Strafverfolgung. Es ist absurd und unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten niemandem zu vermitteln, dass der Einsatz von Vertrauenspersonen ausgerechnet in jenem Bereich nicht gesetzlich geregelt ist, der am stärksten in die Rechte der Betroffenen eingreift. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann das Ausnutzen von Vertrauen durch Vertrauenspersonen sehr schwerwiegende Grundrechtseingriffe mit sich bringen. Wie bei anderen verdeckten strafprozessualen Maßnahmen muss daher auch der Einsatz von Vertrauenspersonen einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Der nun vorgelegte Regierungsentwurf umfasst neben der Einführung einer gesetzlichen Grundlage für den Einsatz von Vertrauenspersonen auch eine Neufassung der Regelung für Verdeckte Ermittler sowie eine Regelung zu Voraussetzungen und Folgen einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation durch Verdeckte Ermittler oder Vertrauenspersonen. Mit Blick auf Vertrauenspersonen enthält der Entwurf endlich qualitative Mindeststandards für die Auswahl von Vertrauenspersonen. Er stellt Regeln zum Umgang mit den durch Vertrauenspersonen erlangten Informationen auf und trägt zu einem besseren Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung bei. Schließlich unterwirft er den Umgang der Ermittlungsbehörden mit Vertrauenspersonen einem rechtsstaatlichen Verfahren – einschließlich eines Richtervorbehalts.

Mit diesen Schritten wird das Erfordernis effektiver Strafverfolgung mit rechtsstaatlich gebotener Transparenz und Kontrolle in Einklang gebracht. Die angesichts schwerwiegender terroristischer Anschläge zutage getretenen Probleme und Mängel beim Einsatz von Vertrauenspersonen zeigen, dass der Einsatz von Vertrauenspersonen effektiver und ziel­genauer erfolgen muss.

Die geplante Regelung trägt dazu bei, das Vertrauen der Bevölkerung in die Ermittlungstätigkeit von Staatsanwaltschaft und Polizei zu steigern. Denn ein Staat, der sich zur Aufklärung von Straftaten solcher Personen bedient, die möglicherweise zuvor selbst Straftaten begangen oder bewusst im Umfeld von Straftätern agiert haben, sollte einen solchen Einsatz anhand konkreter Kriterien begründen können. Dazu gehört, dass Vertrauenspersonen nicht in eine dauerhafte finanzielle oder gar psychische Abhängigkeit von den Ermittlungsbehörden geraten dürfen, wenn sie verlässliche Quellen sein sollen. Im Ergebnis soll die geplante Rechtsgrundlage die Ermittlungs­tätigkeit nicht erschweren, sondern verbessern.

Sebastian Fiedler ist kriminal­politischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied im Rechts- und Innenausschuss.

Bei der Bekämpfung der organisierte Kriminalität (OK), des Terrorismus und anderer schwerer Kriminalitätsformen kommt es entscheidend darauf an, in auf Abschottung und Konspiration angelegte Strukturen der Täter vorzudringen. Die Ermittlungsbehörden stoßen mit anderen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen, wie der Telekommunikationsüberwachung, wegen verschlüsselter Kommunikation der Täter immer schneller an ihre Grenzen. Umso bedeutender ist jetzt und in Zukunft der Einsatz von Vertrauenspersonen (VP) oder Verdeckten Ermittlern (VE).

Die Kritik aus der Kriminalpolizei und der Justiz am aktuellen Entwurf ist verheerend. Es ist ein offenes Geheimnis, dass dem Entwurfstext vor allem die Erfahrungen mit der VP zugrunde lagen, die unter anderem in Zusammenhang mit dem schrecklichen Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz eine wichtige Rolle spielte. Der spätere Parlamentarische Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags brachte einige Missstände ans Licht. Auch drei SPIEGEL-Autoren berichteten in einem Buch zu diesem Fall über rechtsstaatliche Problemfelder.

Die Strafverfolgungsbehörden nutzen dieses Ermittlungsinstrument jedoch alltäglich in regelkonformer und professioneller Weise. Die Betrachtung eines Falles ist noch keine Evaluation, auf die ein Gesetzesvorhaben gestützt werden darf. So prallen hier Unterstellungen und falsche Schlussfolgerungen auf die kriminalistische Wirklichkeit. Beispiele: Eine Regelung, nach der bei der Vernehmung der VP grundsätzlich ein Wortprotokoll anzufertigen ist, stellt die Praxis vor erhebliche Probleme. Solche Vernehmungen finden nicht in klassischer Büroumgebung der Kriminalpolizei, sondern im Milieu statt. Neben dem zusätzlichen Bürokratieaufwand, der sich durch die reine Länge von Wortprotokollen ergibt, entstehen Gefahren für die VP. Das aktenkundige Wortprotokoll enthält immer eine spezifische Wortwahl mit gegebenenfalls individuell zuzuordnenden Redewendungen oder wesensprägenden Ausdrucksweisen der VP. Dies erhöht die Gefahr der Aufdeckung und gefährdet möglicherweise ihr Leib und Leben. Die im Entwurf formulierte Ausnahme „soweit hierdurch keine Rückschlüsse auf die Identität der Vertrauensperson oder auf geheimhaltungsbedürftige Methoden beim Einsatz von Vertrauenspersonen gezogen werden können“ dürfte dann künftig die Regel sein.

Ein zweites Beispiel sind die Ausschlusskriterien, nach denen eine Zusammenarbeit mit VP nicht zulässig sein soll. Der Regierungsentwurf orientiert sich hierbei nicht etwa – wie die Strafverfolgungsbehörden bislang – an der Frage der Zuverlässigkeit einer VP, sondern am „Leitbild“, das die StPO fortan vorgebe. So sind insbesondere die Soll-Vorschrift, nach der VP nur in begründeten Ausnahmen länger als zehn Jahre (kumuliert!) eingesetzt werden dürften oder das absolute Ausschlusskriterium, wenn „Geld- oder Sachzuwendungen für den Einsatz auf Dauer ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage darstellen“ für die Praxis hochproblematisch. Die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit Sozialleistungsempfängern wäre dann wohl gänzlich ausgeschlossen. Zudem sind VP, die über viele Jahre immer wieder zuverlässig mit den Strafverfolgungsbehörden kooperierten, häufig besonders wertvoll.

Es werden insoweit im parlamentarischen Verfahren noch viele Diskussionen zu führen sein. Es muss das gemeinsame Ziel sein, rechtsstaatliche Grundsätze für diese Ermittlungsinstrumente zu normieren, ohne überflüssige Bürokratiemonster zu schaffen oder gar die Ermittlungsinstrumente an sich zu gefährden.

 

Logo Verlag C.H.BECK grau
Menü