Die anlasslose Vorratsdatenspeicherung wird seit Jahren in Deutschland und anderen EU-Ländern diskutiert und landete immer wieder vor den Gerichten. 2010 hat das Bundesverfassungsgericht das deutsche Umsetzungsgesetz der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt. Der Europäische Gerichtshof hat in den Jahren 2014, 2016 und 2022 deutlich gemacht, dass eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung mit dem Unionsrecht nicht vereinbar ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat im August 2023 die in Deutschland geltenden Regelungen zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung für europarechtswidrig und damit für nicht anwendbar erklärt. Das jüngste Urteil des EuGH vom 30. April 2024 hat zwar gewisse Spielräume eröffnet, jedoch ändern diese nichts an den massiven verfassungsrechtlichen Bedenken einer möglichen nationalen Umsetzung.
Verschiedene Stimmen fordern eine gesetzliche Neuregelung für eine anlasslose Speicherung von IP-Adressen zur besseren Strafverfolgung von sexuellem Missbrauch, Kinderpornografie und zum besseren Schutz von Kindern. Allerdings, es ist mitnichten so, dass der Werkzeugkasten der Sicherheitsbehörden leer wäre. Bereits jetzt verfügen diese über umfangreiche Befugnisse zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung. In der Regel gelingt es auch ohne anlasslose IP-Adressen-Speicherung, die Täter zu fassen. Das zeigen die Ermittlungserfolge bei den schrecklichen Missbrauchsfällen in Lügde, Bergisch-Gladbach und Münster. Zudem finden besonders schwere Fälle im anonymen Darknet statt, wo eine Speicherung von IP-Adressen nutzlos ist. Stattdessen braucht es gut ausgebildete Ermittler und eine entsprechende Ausstattung der Sicherheitsbehörden. Oft wird auch vergessen, dass eine IP-Adresse nicht gleichbedeutend mit der Identifizierung eines Täters ist, sondern zunächst nur Aufschluss über eine individuelle Adresse gibt, die ein Gerät im Internet oder auf einem lokalen Netzwerk identifiziert. Zudem ist davon auszugehen, dass die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung zu stärkeren Ausweichbewegungen in der kriminellen Szene und damit unter Umständen sogar zu geringeren Aufklärungsquoten führen würde.
Eine anlasslose Speicherung von IP-Adressen führt also nicht zwingend zu besseren Ermittlungsergebnissen, ist und bleibt aber ein massiver Eingriff in die Grundrechte. Sie führt dazu, dass auch die Telekommunikationsdaten von Menschen gespeichert werden, die sich völlig redlich verhalten. Natürlich müssen unsere Sicherheitsbehörden über die nötigen Befugnisse verfügen, um schwerste Straftaten im Netz aufzuklären. Richtig im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wäre es aber, nur die Telekommunikationsdaten von Personen zu speichern, gegen die ein Verdacht einer Katalogstraftat vorliegt. Daher ist es ein echter Durchbruch, dass Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) im April 2024 das Quick-Freeze-Verfahren durchgesetzt hat. Denn dieser Ansatz ist ein zielsicheres und gleichzeitig grundrechtsschonendes Instrument. Ermittler können mit Quick Freeze sogar mehr herausfinden als mit einer Speicherung von IP-Adressen, denn Quick Freeze ermöglicht es, sämtliche Verkehrsdaten, die einem Telekommunikationsanbieter vorliegen, zu sichern, wenn ein begründeter Verdacht vorliegt. Es können also gezielt umfassende Daten von Verdächtigen „eingefroren“ werden, ohne dass dabei unbeteiligte Bürger in den Fokus der Ermittler geraten. Sowohl die Sicherung der Daten als auch der Zugriff der Ermittlungsbehörden setzt dabei eine richterliche Anordnung voraus. Quick Freeze ist damit zur Verbrechensbekämpfung nicht nur besser geeignet als die Vorratsdatenspeicherung, sondern beschränkt sich auf die notwendigen Mittel und setzt die Speichertechnik in angemessenem Umfang ein, indem sie nur eingreift, wenn ein Verdacht vorliegt.