Ohne Geräusch, ganz ohne öffentliche Aufmerksamkeit endete eine der Kuriositäten des Urheberrechts – der BGH hat den Begriff „Zweckübertragungstheorie“ nach vielen Jahren endlich zu den Akten gelegt.
Haben Sie schon einmal einen Zweck übertragen oder jemanden gesehen, der das tut? Oder können Sie sich überhaupt vorstellen, wie man Zwecke überträgt? Ich auch nicht. Dennoch liest man in allen Büchern zum Urheberrecht, dass es über die Übertragung von Zwecken sogar eine Theorie gibt, nämlich die oben erwähnte „Zweckübertragungstheorie“. Dass dies sprachlich falsch ist, liegt auf der Hand. Ebenso ist offensichtlich, dass es um den Zweck der Übertragung geht, also um eine Übertragungszwecktheorie.
Das Ende des Versuchs, Zwecke zu übertragen und Theorien nach dieser Beschäftigung zu benennen, kam durch den BGH. In einer Entscheidung vom 25. 3. 2010 (NJW-RR 2010, 1633) sprach das Gericht erstmals vom Übertragungszweck. Etwa einen Monat später gab es in einem Urteil vom 29. 4. 2010 (BGH, NJW 2010, 2354) nochmals einen Rückfall in überwunden geglaubte Zeiten. Aber inzwischen ist in ständiger Rechtsprechung nur noch vom Übertragungszweck die Rede (BGH, NJW 2010, 2731 Rdnr. 33; GRUR 2011, 59 Rdnr. 11; NJOZ 2011, 1729 Rdnr. 16).
Warum hat es bis zur Korrektur dieses Sprachfehlers so lange gedauert? Das hängt mit der Sozialstruktur des Fachs zusammen. Das Urheberrecht ist der Sache nach bildungsnah, also gilt dies auch für seine Vertreter. Das hergebrachte Urheberrecht kreist um die Betrachtung eines Urhebers, der isoliert sein Werk schafft. Das könnte man mit Spitzwegs armem Dachstubenpoeten bebildern oder etwas nobler mit Hieronymus in der Klause. Jedoch haben sich die Grundtatsachen, die das Urheberrecht zu behandeln hat, seit Spitzwegs Zeiten völlig geändert. So werden die allermeisten Werke nicht mehr von privat handelnden Personen geschaffen, sondern von gewerblich agierenden Angestellten. Diese Änderungen werden seit Langem erörtert (vgl. Dreier, in: WIPO Worldwide Symposium, 1993, S. 187 ff.) und auch heute von prominenter Seite betont (vgl. Hilty, DGRI Jahrbuch 2010, S. 1). § 43 UrhG ist das wichtigste Beispiel der Divergenz zwischen dem urheberrechtlichen Konzept und der Lebenswirklichkeit. Das Recht ist immer nur so gut, wie es für die Lebenswelt hilfreich ist, und es kann nur hilfreich sein, wenn es die Lebenswelt wahrnimmt.
Es ist verständlich, dass in einem Rechtsgebiet, das sich so auf ein „Früher“ als Grundlage bezieht, Kritik an einem seiner altehrwürdigen Hauptbegriffe unerwünscht ist. Wir dürfen nun abwarten, wie lange es dauert, bis die Lehrbücher und Kommentare an die korrigierte Begrifflichkeit angepasst werden.
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