Umsatzsteuer: Aktuelle EntwicklungenDas Jahresende 2022 brachte viel Neues im Umsatzsteuerrecht. So beinhaltet zunächst das Jahressteuergesetz (JStG) 2022 wesentliche Neuerungen, wie den Nullsteuersatz für PV-Anlagen. Daneben erließ die Finanzverwaltung wichtige BMF-Schreiben, wie zu den Grundsätzen der Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Grundstücken. Zudem verkündete der EuGH sein lang erwartetes Urteil zur deutschen Organschaftsregelung. Schließlich veröffentlichte die Europäische Kommission ihren Richtlinienvorschlag zur Anpassung der Mehrwertsteuer an das digitale Zeitalter (ViDA).
Gesetzliche Neuregelungen
Nullsteuersatz für PV-Anlagen im JStG 2022 Das JStG 2022 enthält ein deutsches Novum im Umsatzsteuerrecht, indem es einen Nullsteuersatz einführt. Dieser wirkt wie eine echte Steuerbefreiung: volles Vorsteuerabzugsrecht ohne Umsatzsteuer auf den Ausgangsumsatz. Die Lieferung, der innergemeinschaftliche Erwerb, die Einfuhr oder Installation von PV-Anlagen einschließlich der wesentlichen Komponenten und Speicher unterliegt für Leistungsausführungen ab 1.1.2023 einem Steuersatz von 0%, sofern die Anlagen auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen oder öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert werden. Für Anlagen bis zu einer Leistung von 30 kWp findet der Steuersatz grundsätzlich Anwendung.
Unternehmereigenschaft unabhängig von der Rechtsfähigkeit Nun ist gesetzlich geklärt, dass auch eine nicht rechtsfähige Person Unternehmer sein kann. Damit hat der Gesetzgeber die unterschiedlichen Auffassungen von Rechtsprechung und Finanzverwaltung, insbesondere für Bruchteilsgemeinschaften, nun geklärt.
Auswahl weiterer Änderungen im JStG 2022 sowie vorheriger Gesetze
BMF-Schreiben zur Vorsteueraufteilung von gemischt genutzten Grundstücken Mit Schreiben vom 20.10.2022 setzt die Finanzverwaltung endlich die langjährige Rechtsprechung des BFH um und passt den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) entsprechend an. Vorsteuerbeträge für Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind grundsätzlich nach dem für das Objekt maßgeblichen Schlüssel ohne direkte Zuordnung aufzuteilen. Gleiches gilt für Vorsteuern aus der Erhaltung des Gebäudes, sofern eine vorrangige direkte Zuordnung zu Umsätzen nicht möglich ist. In Betracht kommen in folgender Reihenfolge:
Der Unternehmer ist in seiner Wahl frei, solange er der Finanzverwaltung Informationen zur Verfügung stellen kann, dass er einen sachgerechten Schlüssel gewählt hat. Er muss nicht zwingend den präzisesten Schlüssel wählen. Die Finanzverwaltung konkretisiert insbesondere die Ermittlung des Flächenschlüssels. Er bemisst sich nach den Gebäudeinnennutzflächen, ohne z.B. der Berücksichtigung von Außenstellplätzen. Welche Flächen in welchem Umfang einzubeziehen sind, konkretisiert das BMF zudem. Daneben kann auch auf andere Methoden der Flächenberechnung zurückgegriffen werden, wenn diese sachgerecht sind. Der Flächenschlüssel kann grundsätzlich nicht zur Anwendung kommen, wenn erhebliche Ausstattungsunterschiede vorliegen, die sich insbesondere in der Höhe des Bauaufwands widerspiegeln. Die Grundsätze gelten analog für die Aufteilung von Vorsteuern bei teilunternehmerisch genutzten Grundstücken.
EuGH-Urteil zur deutschen Organschaftsregelung Der EuGH hatte nach Vorlage der beiden Umsatzsteuersenate des BFH über die Unionsrechtskonformität der deutschen Organschaftsregelung zu entscheiden. Die Urteile vom 1.12.2022 (C-141/20 und C-269/20) waren lange erwartet worden. Sie stellen nun klar, dass die Berücksichtigung aller Umsätze beim Organträger als Steuerschuldner der Umsätze der Organschaft unionsrechtskonform sind. Der EuGH geht aber auch davon aus, dass die einzelnen Organgesellschaften weiterhin selbstständig sind. Sie können damit entgeltliche Leistungen an den Organträger erbringen. Leider lässt der EuGH hier Raum für Diskussionen, ob damit auch eine Steuerbarkeit der Innenumsätze innerhalb des Organkreises unionsrechtlich denkbar wäre. Hier werden wohl die Nachfolgeentscheidungen des BFH abgewartet werden müssen. Zudem ist eine gesetzliche Überarbeitung der Organschaftsregelung weiterhin dringend erforderlich.
Anpassungen des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses Wie jedes Jahr veröffentlichte das BMF mit Schreiben vom 20.12.2022 auch in 2022 seine Anpassungen des UStAE. Zu nennen sind insbesondere die folgenden:
Richtlinienvorschlag „VAT in the Digital Age“ (ViDA) Der Richtlinienvorschlag, den die Europäische Kommission am 8.12.2022 veröffentlicht hat, umfasst im Wesentlichen drei Themenblöcke:
Dr. Stefanie Becker, Dipl.-Wirtschaftsjuristin, Dipl.-Finanzwirtin (FH), Steuerberaterin, Ansbach (www.umsatzsteuer3.de)
BC 2/2023 |