Aufteilung eines Gesamtkaufpreises beim Immobilienerwerb: Ein Zankapfel besonderer ArtBFH-Urteil vom 20.9.2022 – IX R 12/21
Der bei der Anschaffung eines Immobilienobjekts gezahlte Gesamtkaufpreis ist bekanntlich in die Wertanteile für den Grund und Boden sowie das Gebäude aufzuteilen. Welches Wertermittlungsverfahren anzuwenden ist, ist nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden. Ein Vorrang bestimmter Wertermittlungsverfahren für bestimmte Gebäudearten besteht nicht.
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Hintergrund In dem zum BFH gelangten Fall stritten die Beteiligten über die Aufteilung des Kaufpreises für eine von der Klägerin (GbR) erworbene Eigentumswohnung in die Anschaffungskosten für Grund und Boden sowie für das Gebäude für Zwecke der Ermittlung der Absetzung für Abnutzung (AfA). Nachdem die GbR den Gebäudewert für die AfA mit 84% angesetzt hatte, ermittelte das Finanzamt den Gebäudeanteil im sog. „vereinfachten Verfahren“ nach der „Arbeitshilfe“ des BMF (abzurufen unter www.bundesfinanzministerium.de) nach verschiedenen Änderungen mit nur 58% – also erheblich weniger AfA-Potenzial. Im anschließenden Klageverfahren stellte ein Sachverständiger im Ertragswertverfahren einen Gebäudewertanteil von 81% fest. In einem ergänzenden Gutachten nach dem Sachwertverfahren vertrat der Sachverständige einen Gebäudewertanteil von 69%. Was gilt nun in dieser Spanne von 58% bis 84%?
Lösung Die Grundregel lautet gemäß BFH (vorgehend FG Hamburg, Urt. v. 30.9.2020 – 3 K 233): Ist für die Anschaffung eines Immobilienobjekts ein Gesamtkaufpreis gezahlt worden, ist der Kaufpreis zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die AfA aufzuteilen. Das Finanzgericht (FG) hatte die Auffassung vertreten, dass nach der BFH-Rechtsprechung bei selbstgenutzten und bei vermieteten Eigentumswohnungen (im Privatvermögen) und Mehrfamilienhäusern grundsätzlich das Sachwertverfahren angebracht sei, da bei diesen Objekten regelmäßig davon auszugehen sei, dass für den Erwerb neben Ertragsgesichtspunkten und der sicheren Kapitalanlage auch die Aussicht auf einen langfristigen steuerfreien Wertzuwachs ausschlaggebend sei. Eine Bewertung nach dem Ertragswertverfahren sei nur ausnahmsweise möglich, wenn dieses die tatsächlichen Wertverhältnisse besser abbilde. Der BFH zeigte sich verfahrensoffener und hob das FG-Urteil auf: Vorliegend sei das Sachwertverfahren gerade nicht anzuwenden. Grundsätzlich könne für die Schätzung des Werts der Anteile für den Grund und Boden sowie das Gebäude die ImmoWertV herangezogen werden; welches Wertermittlungsverfahren anzuwenden ist, sei aber nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden. Der BFH wurde sogar noch deutlicher: „Die Wahl der Ermittlungsmethode entzieht sich einer Verallgemeinerung; ein Vorrang bestimmter Wertermittlungsverfahren für bestimmte Gebäudearten besteht nicht.“ Nach der vom BFH in Bezug genommenen ImmoWertV – sie enthält anerkannte Grundsätze für die Schätzung von Verkehrswerten von Grundstücken – ergibt sich keine Einengung auf eine bestimmte Methodik: Danach ist der Verkehrswert mithilfe des Vergleichswertverfahrens (einschließlich des Verfahrens zur Bodenwertermittlung), des Ertragswertverfahrens, des Sachwertverfahrens oder mehrerer dieser Verfahren zu ermitteln (§ 8 Abs. 1 S. 1 ImmoWertV). Dabei stehen die Wertermittlungsverfahren zunächst einmal einander gleichwertig gegenüber; letztlich habe die Verfahrensauswahl je nach der Art des Objekts unter Berücksichtigung der im Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und der sonstigen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen (BFH Urt. v. 21.7.2020 – IX R 26/19, BStBl. II 2021, 372, Rz. 31). Es besteht danach kein typisierender Vorrang bestimmter Wertermittlungsverfahren (Rdn. 40 der Entscheidungsgründe vom 20.9.2022). Zwar habe der BFH schwerpunktmäßig eine Bewertung von Geschäftsgrundstücken im Ertragswertverfahren für angezeigt gehalten und dabei auf deren Charakter als Renditeobjekte abgestellt; nun aber hält der BFH den Hinweis für angezeigt, dass im Kontext der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung (dynamische Entwicklung des Immobilienmarkts, niedriges Zinsniveau) auch reine Wohnimmobilien als Renditeobjekte angesehen werden. Dementsprechend liegen auch dem Erwerb von zur Vermietung bestimmtem Wohnungseigentum regelmäßig Ertragsüberlegungen zugrunde, während in früheren Jahren der steuerfreie Wertzuwachs mehr im Vordergrund stand. Es komme hinzu, dass in der Praxis das Sachwertverfahren keineswegs überwogen habe, sondern das Ertragswertverfahren am weitesten verbreitet sei.
Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld
BC 1/2023
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