Wenn Richter sich scheiden lassen: Gesamtes Amtsgericht befangen
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Man kennt sich gut im kleinen AG Ettlingen – so gut, dass sich alle anderen vier Richterinnen und Richter selbst als befangen angezeigt haben, als es um die Scheidung einer Kollegin ging. Das OLG Karlsruhe ließ das ohne Weiteres gelten und bestimmte die Zuständigkeit neu.

Besteht zwischen Richterinnen oder Richtern und Verfahrensbeteiligen ein "sehr enges" Kollegialitätsverhältnis, kann das eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Im Falle des kleinen AG Ettlingen musste das OLG Karlsruhe deshalb entscheiden, wo stattdessen die Scheidung einer Richterin verhandelt werden sollte, da alle Kolleginnen und Kollegen ihre mögliche Befangenheit angezeigt hatten. Die Wahl fiel auf das Amtsgericht am neuen Wohnsitz der Richterin (Beschluss vom 03.06.2025 – 20 UFH 1/25).

Die Richterin des AG Ettlingen hatte im Frühjahr 2025 die Scheidung von ihrem Ehemann beantragt. Da sie mit ihm im Bezirk ihres eigenen Gerichts gelebt hatte, wäre dieses auch für die Scheidung zuständig gewesen. 

"Unzählige Mittagspausen" zusammen verbracht

Die vier verbliebenen Richterinnen und Richter des AG zeigten sich daraufhin im Abstand von insgesamt drei Tagen sämtlich selbst als befangen an (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 48 ZPO). Ein Kollege erklärte dazu, man tausche sich häufig fachlich aus und habe bereits über zwei Jahre zusammengearbeitet. Eine andere Richterin vertrete die Kollegin aktuell in Zivilsachen und könne aus diesem Grund die Neutralität nicht wahren. Der dritte Kollege machte geltend, er arbeite bereits seit zehn Jahren mit ihr zusammen und habe "unzählige Mittagspausen" mit ihr verbracht, wobei man sich seit geraumer Zeit duze. Schließlich erklärte sich auch der Direktor des Amtsgerichts für befangen. Er sei seit Dienstbeginn der Direktor und habe zu kollegialem Austausch ebenso "unzählige Mittagspausen" mit der Kollegin verbracht. Die Frau selbst erhob keine Einwendungen gegen die Selbstablehnungsgesuche.

Das zuständige OLG Karlsruhe ließ die Anzeigen ebenfalls gelten und bestimmte das AG Karlsruhe-Durlach als zuständig. Eine Selbstanzeige wegen Besorgnis der Befangenheit sei immer dann begründet, wenn die Betroffenen Zweifel an der eigenen Unvoreingenommenheit hegten. Solche Zweifel könnten sich laut BGH-Rechtsprechung auch aus einer besonderen Beziehung der Richterinnen und Richter ergeben – entweder zum Gegenstand des Rechtsstreits oder zu den Verfahrensbeteiligten selbst. 

Dabei seien aber nur nahe persönliche oder geschäftliche Beziehungen geeignet. Selbst bei einem Kollegialitätsverhältnis lasse sich eine Ablehnung daher nur rechtfertigen, wenn damit eine "enge berufliche Zusammenarbeit" verbunden sei. Die selbstanzeigenden Richterinnen und Richter müssten dabei wiederum nicht tatsächlich befangen oder voreingenommen sein, es reiche bereits der böse Schein.

An einem kleinen Gericht kennt man sich

Die antragstellende Richterin pflege mit ihren Kolleginnen und Kollegen eine langjährige und noch andauernde Zusammenarbeit. Der Senat betonte, dass bei einem "derart kleinen und personell konstant besetzten" Gericht davon ausgegangen werden könne, dass zwischen sämtlichen Richterinnen und Richtern eine sehr enge berufliche Zusammenarbeit bestehe. Das hätten diese mit ihren Begründungen auch bestätigt.

Damit sei das gesamte Gericht an der Ausübung des Richteramtes in diesem Fall rechtlich gehindert gewesen, sodass auf Antrag eine Alternative bestimmt werden müsse. Der bisherige Ehemann wohnte noch im Gerichtsbezirk Ettlingen, sodass hier auf dasjenige Gericht ausgewichen werden müsse, an dem die Antragstellerin ihren neuen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Aus zweckmäßigen und prozessökonomischen Gesichtspunkten ist es deshalb das AG Karlsruhe-Durlach, das sich nun mit der Scheidung befassen muss.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03.07.2025 - 20 UFH 1/25

Redaktion beck-aktuell, tbh, 4. Juli 2025.

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