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Übersicht über die Vorlagefragen zu Art. 82 DS-GVO

Kevin Leibold, LL. M., ist Rechtsanwalt; auf Twitter unter: @kleibold23.

ZD-Aktuell 2024, 01537   Hier findet sich eine von Kevin Leibold, LL. M., erstellte Übersicht über die Vorlagefragen zu Art. 82 DS-GVO mit dem aktuellen Stand vom 27.1.2024.

NEU EuGH – C-655/23 – Quirin Privatbank, Vorabentscheidungsersuchen des BGH, eingereicht am 7.11.2023

4. Ist Art. 82 Abs. 1 DS-GVO dahingehend auszulegen, dass für die Annahme eines immateriellen Schadens im Sinne dieser Bestimmung bloße negative Gefühle wie zB Ärger, Unmut, Unzufriedenheit, Sorge und Angst, die an sich Teil des allgemeinen Lebensrisikos und oft des täglichen Erlebens sind, genügen? Oder ist für die Annahme eines Schadens ein über diese Gefühle hinausgehender Nachteil für die betroffene natürliche Person erforderlich?

5. Ist Art. 82 Abs. 1 DS-GVO dahingehend auszulegen, dass bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens der Grad des Verschuldens des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters bzw. seiner Mitarbeiter ein relevantes Kriterium darstellt?

6. Falls Fragen 1 a), 1b) oder 3 bejaht werden: Ist Art. 82 Abs. 1 DS-GVO dahingehend auszulegen, dass bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens als anspruchsmindernd berücksichtigt werden kann, dass der betroffenen Person neben dem Anspruch auf Schadensersatz ein Unterlassungsanspruch zusteht?

NEU EuGH – C-507/23 – Patērētāju tiesību aizsardzības centrs, Vorabentscheidungsersuchen des Augstākā tiesa (Lettland), eingereicht am 8.8.2023

1. Ist Art. 82 Abs. 1 DS-GVO dahin auszulegen, dass die rechtswidrige Verarbeitung personenbezogener Daten als Verstoß gegen diese Verordnung für sich genommen einen ungerechtfertigten Eingriff in das subjektive Recht einer Person auf den Schutz ihrer Daten und einen dieser Person zugefügten Schaden darstellen kann?

2. Ist Art. 82 Abs. 1 DS-GVO dahin auszulegen, dass er gestattet, dass dann, wenn keine Möglichkeit zur Wiederherstellung des Zustands vor der Verursachung des Schadens besteht, als einziger Ersatz für den immateriellen Schaden die Verpflichtung auferlegt wird, sich zu entschuldigen?

3. Ist Art. 82 Abs. 1 DS-GVO dahin auszulegen, dass er gestattet, dass Umstände, die auf die Haltung und die Beweggründe der Person, die die Daten verarbeitet, hindeuten (zB die Notwendigkeit, einen im öffentlichen Interesse liegenden Auftrag zu erfüllen, das Fehlen einer Absicht, die betroffene Person zu schädigen, oder Schwierigkeiten, den rechtlichen Rahmen zu verstehen), die Festsetzung eines geringeren Ersatzes für diesen Schaden rechtfertigen?

EuGH – C-200/23 – Agentsia po vpisvaniyata, Vorabentscheidungsersuchen des Varhoven administrativen sad (Bulgarien), eingereicht am 28.3.2023

7. Ist der Begriff „immaterieller Schaden“ in Art. 82 Abs. 1 DS-GVO dahin auszulegen, dass die Annahme eines immateriellen Schadens einen spürbaren Nachteil und eine objektiv nachvollziehbare Beeinträchtigung persönlicher Belange erfordert oder genügt hierfür der bloße kurzfristige Verlust des Betroffenen über die Hoheit seiner Daten wegen der Veröffentlichung personenbezogener Daten im Handelsregister, der ohne jedwede spürbare bzw. nachteilige Konsequenzen für den Betroffenen blieb?

8. Kann die gem. Art. 58 Abs. 3 lit. b DS-GVO erlassene Stellungnahme der nationalen Aufsichtsbehörde, der Komisia za zashtita na lichnite danni (Kommission für den Schutz personenbezogener Daten), Nr. 01-116(20)/1.2.2021, wonach die Agentur für Eintragungen keine rechtliche Möglichkeit oder Befugnis hat, von Amts wegen oder auf Antrag der betroffenen Person, die Verarbeitung von bereits offen gelegten Daten einzuschränken, zulässigerweise als Nachweis im Sinne von Art. 82 Abs. 3 DS-GVO dafür gelten, dass die Agentur für Eintragungen in keinerlei Hinsicht für den Umstand verantwortlich ist, durch den der Schaden bei der natürlichen Person eingetreten ist?

EuGH C-65/23 – K GmbH, Vorabentscheidungsersuchen des BAG, eingereicht am 8.2.2023

1. Ist Art. 82 Abs. 1 DS-GVO dahin auszulegen, dass Personen ein Recht auf Ersatz des immateriellen Schadens bereits dann haben, wenn ihre personenbezogenen Daten entgegen den Vorgaben der DS-GVO verarbeitet wurden oder setzt der Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens darüber hinaus voraus, dass die betroffene Person einen von ihr erlittenen immateriellen Schaden – von einigem Gewicht – darlegt?

2. Hat Art. 82 Abs. 1 DS-GVO spezial- bzw. generalpräventiven Charakter und muss dies bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zulasten des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters berücksichtig werden?

3. Kommt es bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DS-GVO auf den Grad des Verschuldens des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters an? Insbesondere, darf ein nicht vorliegendes oder geringes Verschulden auf Seiten des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters zu dessen Gunsten berücksichtigt werden?

EuGH C-590/22 – PS, Vorabentscheidungsersuchen des AG Wesel, eingereicht am 9.9.2022

1. Reicht es für die Begründung eines Anspruchs auf Schadensersatz gern. Art. 82 Abs. 1 VO (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der RL 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, im Folgenden: DS-GVO) aus, dass eine die anspruchstellende Person schützende Bestimmung der DSGVO verletzt worden ist oder ist es erforderlich, dass ein über die Verletzung der Bestimmungen als solche hinaus eine weitere Beeinträchtigung der anspruchstellenden Person eingetreten ist?

2. Ist es nach dem Unionsrecht zur Begründung eines Anspruchs auf immateriellen Schadensersatzes gem. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO erforderlich, dass eine Beeinträchtigung von gewissem Gewicht vorliegt?

3. Insbesondere: Reicht es zur Begründung eines Anspruchs auf immateriellen Schadensersatz gern. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO aus, dass die anspruchstellende Person befürchtet, dass als Folge von Verletzungen der Bestimmungen der DS-GVO ihre personenbezogenen Daten in fremde Hände gelangt sind, ohne dass dies positiv festgestellt werden kann?

4. Entspricht es dem Unionsrecht, wenn das nationale Gericht bei der Bemessung eines immateriellen Schadensersatzes gern. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO die dem Wortlaut nach lediglich für Geldbußen geltenden Kriterien des Art. 83 Abs. 2 S. 2 DS-GVO entsprechend heranzieht?

5. Ist die Höhe eines immateriellen Schadensersatzanspruchs gern. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO auch danach zu bemessen, dass durch die Höhe des zugesprochenen Anspruchs eine Abschreckungwirkung erreicht und/oder eine „Kommerzialisierung“ (kalkuliertes Inkaufnehmen von Geldbußen/Schadensersatzzahlungen) von Verstößen unterbunden wird?

6. Entspricht es dem Unionsrecht, bei der Bemessung eines Anspruchs auf immateriellen Schadensersatz gern. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO der Höhe nach zugleich verwirklichte Verstöße gegen nationale Vorschriften zu berücksichtigen, die den Schutz von personenbezogenen Daten zum Zweck haben, bei denen es sich aber nicht um nach Maßgabe der vorliegenden Verordnung erlassene delegierte Rechtsakte oder Durchführungsrechtsakte oder Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zur Präzisierung von Bestimmungen der vorliegenden Verordnung handelt?

EuGH C-189/22 – ED, Vorabentscheidungsersuchen des AG München, eingereicht am 11.3.2022

1. Ist Art. 82 DS-GVO dahin auszulegen, dass dem Schadensersatzanspruch auch iRd Bemessung seiner Höhe kein Sanktionscharakter, insb. keine generelle oder spezielle Abschreckungsfunktion zukommt, sondern der Anspruch auf Schadensersatz nur eine Ausgleichs- und uU Genugtuungsfunktion hat?

2.a Ist für die Bemessung des immateriellen Schadensersatzanspruchs als Verständnis davon auszugehen, dass der Schadensersatzanspruch auch eine individuelle Genugtuungsfunktion hat – hier verstanden als das im Privaten des Verletzten bleibende Interesse, das verursachende Verhalten geahndet zu sehen, oder kommt dem Schadensersatzanspruch nur eine Ausgleichsfunktion zu – hier verstanden als die Funktion, erlittene Beeinträchtigungen zu kompensieren?

2.b.1. Wenn davon auszugehen ist, dass dem immateriellen Schadenersatzanspruch sowohl Ausgleichs- als auch Genugtuungsfunktion zukommt: Ist bei seiner Bemessung davon auszugehen, dass die Ausgleichsfunktion einen strukturellen oder zumindest als Regel-Ausnahme-Verhältnis zu sehenden Vorrang vor der Genugtuungsfunktion hat? Führt dies dazu, dass eine Genugtuungsfunktion nur bei vorsätzlichen ober grob fahrlässigen Verletzungen in Betracht kommt?

2.b.2. Wenn dem immateriellen Schadensersatzanspruch keine Genugtuungsfunktion zukommt: Führen bei seiner Bemessung nur vorsätzliche oder grob fahrlässige Datenschutzverletzungen als Beurteilung von Verursachungsbeiträgen zu zusätzlichem Gewicht?

3. Ist für das Verständnis des immateriellen Schadensersatzes in seiner Bemessung von einem strukturellen Rangverhältnis oder zumindest Regel-Ausnahme-Rangverhältnis auszugehen, bei dem das von einer Datenverletzung ausgehende Beeinträchtigungserleben weniger Gewicht hat als das mit einer Körperverletzung verknüpfte Beeinträchtigungs- und Schmerzerleben?

4. Steht einem nationalen Gericht offen, wenn von einem Schaden auszugehen ist, angesichts fehlender Schwere einen materiell nur im Geringfügigen bleibenden und damit uU von Verletztenseite oder allgemein nur als symbolisch empfundenen Schadensersatz zuzusprechen?

5. Ist für das Verständnis des immateriellen Schadensersatzes in der Beurteilung seiner Folgen davon auszugehen, dass ein Identitätsdiebstahl iSd 75. Erwägungsgrunds DS-GVO erst dann vorliegt, wenn tatsächlich ein Straftäter die Identität des Betroffenen angenommen hat, sich also in irgendeiner Form als der Betroffene ausgegeben hat, oder liegt schon im Umstand, dass inzwischen Straftäter über Daten verfügen, die den Betroffenen identifizierbar machen, ein solcher Identitätsdiebstahl?

EuGH C-182/22 – ED, Vorabentscheidungsersuchen des AG München, eingereicht am 10.3.2022

1. Ist Art. 82 DS-GVO dahin auszulegen, dass dem Schadensersatzanspruch auch iRd Bemessung seiner Höhe kein Sanktionscharakter, insb. keine generelle oder spezielle Abschreckungsfunktion zukommt, sondern der Anspruch auf Schadensersatz nur eine Ausgleichs- und uU Genugtuungsfunktion hat?

2.a Ist für die Bemessung des immateriellen Schadensersatzanspruchs als Verständnis davon auszugehen, dass der Schadensersatzanspruch auch eine individuelle Genugtuungsfunktion hat – hier verstanden als das im Privaten des Verletzten bleibende Interesse, das verursachende Verhalten geahndet zu sehen, oder kommt dem Schadensersatzanspruch nur eine Ausgleichsfunktion zu – hier verstanden als die Funktion, erlittene Beeinträchtigungen zu kompensieren?

2.b.1. Wenn davon auszugehen ist, dass dem immateriellen Schadensersatzanspruch sowohl Ausgleichs- als auch Genugtuungsfunktion zukommt: Ist bei seiner Bemessung davon auszugehen, dass die Ausgleichsfunktion einen strukturellen oder zumindest als Regel-Ausnahme-Verhältnis zu sehenden Vorrang vor der Genugtuungsfunktion hat? Führt dies dazu, dass eine Genugtuungsfunktion nur bei vorsätzlichen ober grob fahrlässigen Verletzungen in Betracht kommt?

2.b.2. Wenn dem immateriellen Schadensersatzanspruch keine Genugtuungsfunktion zukommt: Führen bei seiner Bemessung nur vorsätzliche oder grob fahrlässige Datenschutzverletzungen als Beurteilung von Verursachungsbeiträgen zu zusätzlichem Gewicht?

3. Ist für das Verständnis des immateriellen Schadensersatzes in seiner Bemessung von einem strukturellen Rangverhältnis oder zumindest Regel-Ausnahme-Rangverhältnis auszugehen, bei dem das von einer Datenverletzung ausgehende Beeinträchtigungserleben weniger Gewicht hat als das mit einer Körperverletzung verknüpfte Beeinträchtigungs- und Schmerzerleben?

4. Steht einem nationalen Gericht offen, wenn von einem Schaden auszugehen ist, angesichts fehlender Schwere einen materiell nur im Geringfügigen bleibenden und damit uU von Verletztenseite oder allgemein nur als symbolisch empfundenen Schadensersatz zuzusprechen?

5. Ist für das Verständnis des immateriellen Schadensersatzes in der Beurteilung seiner Folgen davon auszugehen, dass ein Identitätsdiebstahl iSd 75. Erwägungsgrunds der DS-GVO erst dann vorliegt, wenn tatsächlich ein Straftäter die Identität des Betroffenen angenommen hat, sich also in irgendeiner Form als der Betroffene ausgegeben hat, oder liegt schon im Umstand, dass inzwischen Straftäter über Daten verfügen, die den Betroffenen identifizierbar machen, ein solcher Identitätsdiebstahl?

EuGH C-741/21 –Vorabentscheidungsersuchen des LG Saarbrücken, eingereicht am 1.12.2021

1. Ist der Begriff des immateriellen Schadens in Art. 82 Abs. 1 DS-GVO im Hinblick auf den Erwägungsgrund 85 DS-GVO und den Erwägungsgrund 146 S. 3 EUV (2016/679) in dem Sinne zu verstehen, dass er jede Beeinträchtigung der geschützten Rechtsposition erfasst, unabhängig von deren sonstigen Auswirkungen und deren Erheblichkeit?

2. Wird die Haftung auf Schadensersatz gem. Art. 82 Abs. 3 DS-GVO dadurch ausgeschlossen, dass der Rechtsverstoß auf menschliches Versagen im Einzelfall einer iSv Art. 29 DS-GVO unterstellten Person zurückgeführt wird?

3. Ist bei der Bemessung des immateriellen Schadensersatzes eine Orientierung an den in Art. 83 DS-GVO, insb. Art. 83 Abs. 2 und Abs. 5 DS-GVO genannten Zumessungskriterien erlaubt bzw. geboten?

4. Ist der Schadensersatz für jeden einzelnen Verstoß zu bestimmen oder werden mehrere – zumindest mehrere gleichgelagerte – Verstöße mit einer Gesamtentschädigung sanktioniert, die nicht durch eine Addition von Einzelbeträgen ermittelt wird, sondern auf einer wertenden Gesamtbetrachtung beruht?

 

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