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Doch kein umfassender „Fresh start“ für den Schuldner? - NZI 23/2024

VorsRiOLG a. D. Werner Sternal, Köln
§ 1 II InsO eröffnet dem redlichen Schuldner die Möglichkeit, sich von den Verbindlichkeiten zu befreien und wieder am Wirtschaftsleben zu beteiligen. Dieses Ziel wird gefährdet, wenn bei der Bewertung seiner Kreditwürdigkeit jahrelang Informationen über ein Insolvenzverfahren und die Erteilung der Restschuldbefreiung abrufbar sind.
Daher sehen § 3 I und II InsBekV zum Schutz des Schuldners die Löschung entsprechender Daten spätestens nach sechs Monaten vor. Zudem hat der EuGH (NZI 2024, 98) eine entsprechende zeitliche Grenze für die Speicherung einer RSB-Erteilung in Auskunfteien gezogen. Bereits zuvor hatten die Wirtschaftsauskunftsdateien eine Selbstkorrektur vorgenommen und die Speicherdauer entsprechend angepasst. Damit ist nunmehr in öffentlichen Registern und bei Auskunfteien eine einheitliche Speicherfrist gewährleistet. Die Entscheidung des EuGH betrifft zwar unmittelbar nur die Erteilung der Restschuldbefreiung. Die Grundsätze gelten wegen der vergleichbaren Interessenlage aber für alle in § 3 InsBekV normierten Löschungsfristen. Damit erhalten nach Ablauf der Fristen in § 3 InsBekV Dritte bei der Einholung von Auskünften keine Hinweise mehr über ein Insolvenzverfahren sowie einer bereits durchlaufenden Schuldenbefreiung.

 

Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Verfügt der Schuldner über ein Grundstück, so bleiben die Eintragungen im Grundbuch bestehen. Es erfolgt nur eine Löschung des Insolvenzvermerks durch Eintragung eines Löschungsvermerks (§ 46 I GBO), so dass sämtliche Eintragungen bei einer Grundbucheinsicht weiterhin ersichtlich sind. Die Anlage eines neuen Grundbuchblatts ohne die gelöschten Eintragungen würde dies verhindern. Indes hat der BGH für eine rechtmäßig erfolgten Grundbucheintragung einen Anspruch des Grundstückseigentümers auf Grundbuchumschreibung verneint (FGPrax 2024, 1). Zur Begründung wird ua auf den zusätzlichen Arbeits- und Verwaltungsaufwand, auf die weiterhin bestehende Möglichkeit der Einsichtnahme in ein geschlossenes Grundbuch und auf das Interesse der Öffentlichkeit an einer uneingeschränkten lückenlosen Dokumentation der eingetragenen Rechtsverhältnisse verwiesen.

Es erscheint fraglich, ob im Hinblick auf den von der InsO ermöglichten wirtschaftlichen Neustart eines redlichen Schuldners diese Argumente die Verweigerung einer Grundbuchumschreibung rechtfertigen. Mit der Einführung der Digitalisierung des Grundbuchs kann schon nicht mehr von einem nennenswerten Mehraufwand gesprochen werden. Zudem besteht die Möglichkeit der Beschränkung der Einsichtnahme in das geschlossene Grundbuchblatt auf besondere Fälle. So hat der BGH für überholte Eintragungen im Vereinsregister unter Hinweis auf Art. 17 DS-GVO das Informationsinteresse Dritter wegen Zeitablaufs eingeschränkt (ZIP 2024, 2272). Diese Überlegungen lassen sich auf geschlossene Grundbuchblätter übertragen. Letztlich ist der Gesetzgeber gefordert, ein Umschreibungsanspruch und ein eingeschränktes Einsichtsrecht zu schaffen, um auch dem Schuldner als Grundstückseigentümer durch ein Grundbuch ohne kreditgefährdende Eintragungen einen umfassenden „Fresh start“ nach Insolvenz zu ermöglichen.

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