Die aktuelle Krise in der deutschen Automobilindustrie ruft Erinnerungen wach an den Einbruch dieser Industrie im Zuge der Finanzmarktkrise 2008/09. Damals wie heute häufen sich die Nachrichten zu krisenbefangenen Herstellern und Zulieferern. Dies wirft die Frage nach Parallelen bzw. Unterschieden auf.
Während 2008/09 eine globale Finanzkrise als singuläres Ereignis zu einer Rezession führte, die sich auf fast alle Branchen auswirkte und in der Automobilindustrie aufgrund von Konsumzurückhaltung zu einem starken Absatzrückgang führte, liegen die Dinge jetzt anders. Strukturelle Veränderungen und technologische Transformation, bedingt durch geopolitische Spannungen, Engpässe in den Lieferketten, neue Umweltauflagen, der Übergang zur Elektromobilität sowie verändertes Konsumentenverhalten sind aktuell nur einige der (noch) multiple(re)n Krisenursachen für die Automobilindustrie, die nach wie vor die meisten Arbeitsplätze in Deutschland stellt. So verwundert es nicht, dass die Auswirkungen in den Jahren 2008/09 überwiegend kurzfristiger Natur waren und denen mit Konjunkturprogrammen (zB „Abwrackprämie“) zielgerichtet entgegengewirkt werden konnte, wohingegen aktuell eher von einer längerfristigen und tiefgreifend strukturellen Problematik auszugehen ist. Allein die Umstellung auf die Elektromobilität erfordert massive Investitionen über Jahre hinweg und hat gravierende Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette einschließlich der Zulieferer. Besonders erwähnenswert ist die völlig geänderte Marktdynamik: Vor rund 15 Jahren gab es keine (ernstzunehmenden) chinesischen Hersteller auf dem deutschen und europäischen Markt. Das hat sich geändert. Dutzende neue, namentlich teils noch unbekannte, jedoch preisgünstige und qualitativ anspruchsvolle Hersteller drängen auf den Markt bzw. haben eine Zulassung beim KBA beantragt. Und nachdem diese Fahrzeuge fast ausschließlich in Asien produziert werden, schlägt die absehbare Verschiebung von Marktanteilen auch voll durch auf die deutsche und europäische Zulieferindustrie.
Diese grundverschiedenen Ausgangssituationen wird sich auch auf das Insolvenz- und Restrukturierungsgeschehen dieser Branche auswirken. Die Ressourcen der Automobilkonzerne, ihre Zulieferbetriebe bei Engpässen zu stützen, sind aufgrund der eigenen Probleme inzwischen ebenfalls limitierter. Und Investoren winken seit geraumer Zeit ab, wenn es um Eigenkapitalzufuhr für diese Mittelständler geht. Waren nach der Finanzmarktkrise Unternehmensabwicklungen, auch in der Insolvenz noch selten, so stehen die Zeichen heute insoweit viel schlechter. Nur die Restrukturierungs-Governance hat sich deutlich weiterentwickelt. Wird die eindeutige Botschaft des StaRUG an die Geschäftsleiter der Automobil(-Zulieferer)-Industrie ernst genommen und die harte, operative Sanierung innerhalb des 24-Monats-Zeitraumes vor (plangemäßer) Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ernst genommen, so stehen die Zeichen für eine substanzerhaltende Rettung immer noch gut. Wird das versäumt -und das ist im Management leider nach wie vor sehr oft der Fall –, drohen mehr Unternehmensabwicklungen, vor allem bei den Zulieferbetrieben. Die Politik wird gehalten sein, mit Augenmaß zu unterstützen, um einen Exodus zu vermeiden – eine „Abwrackprämie 2.0“ wird nicht ausreichen.