VorsRiLG a. D. Irmtraut Pape, Göttingen
Künstliche Intelligenz (KI) ist aus vielen Bereichen unseres täglichen Lebens nicht mehr
wegzudenken. Es gibt wohl kaum einen Abiturienten, der alle Bücher der „Oberstufen-
Leseliste“ vollständig gelesen hat, gleichwohl über alle Werke sprechen kann. Die
Nutzung der KI macht es möglich. Komplett ohne Chat-GPT oder andere KI-Systeme
kommen nur noch die Wenigsten aus. Längst hat die KI auch im juristischen Alltag
Einzug gehalten.
Da, wo vor einiger Zeit noch Bausteine verwendet wurden, kommt vermehrt KI zum Einsatz. Die vorhandenen Informationen werden eingegeben, die KI verwertet sie und liefert ein Ergebnis.
Dabei weiß der Anwender jedoch vorher nicht, wie dasErgebnis aussieht, wie es zustande kommt, welche Quellen die KI benutzt hat. Die Systeme sind
nicht transparent. Es stellt sich die Frage, wie weit die Anwendung von KI in der Zukunft reichen wird. Wird in absehbarer Zeit der Richter, Rechtspfleger, Rechtsanwalt oder Insolvenzverwalter durch KI ersetzt? Wird es möglich sein, die Erfolgsaussichten einer Klage durch KI zu prognostizieren? Zurzeit werden nur ca. 3% aller Urteile veröffentlicht, so
dass die für KI zur Verfügung stehenden Fälle noch sehr gering sind. Werden die Datenmengen jedoch größer, werden die Namen der jeweiligen Richter „eingefüttert“, dürfte es nicht mehr schwierig sein, die Tendenz des entscheidenden Richters in ähnlich gelagerten Fällen zu erkennen. Auch besteht die Gefahr, dass eine Tendenz erzeugt wird, wenn die eingegebenen Daten entsprechend gefiltert werden. Ob ein von der KI vorhergesagtes Ergebnis die Parteien vom Gang zum Gericht abhalten wird, bleibt angesichts dieser Intransparenz abzuwarten
Eine gesetzliche Regelung für die Verwendung der KI fehlt bislang. Die EU-Mitgliedstaaten haben einstimmig die Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für Künstliche Intelligenz (KI Verordnung, AI Act) gebilligt. Die Bundesregierung will sich für eine bürokratiearme und innovationsfreundliche Lösung einsetzen. Einigkeit besteht darin, dass es in Europa keine KI-Systeme mit inakzeptablen Risiken geben soll. Als solche werden genannt das Facial-Scoring und die Emotionserkennung am Arbeitsplatz. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die persönliche Anhörung von Parteien, Zeugen oder sonstigen Verfahrensbeteiligten weiterhin dem Richter überlassen bleiben muss. Er muss sich ein eigenes Bild von der Aussage machen, sein persönlicher Eindruck darf nicht durch eine Bilderkennung der KI ersetzt werden. Im Ergebnis ein beruhigender Gedanke, denn letztlich dürfen wir nicht vergessen, dass von jeder Entscheidung, die der Richter, Rechtspfleger oder Insolvenzverwalter trifft, Menschen betroffen sind, die nicht vollständig Maschinen und der damit erzeugten Künstlichen Intelligenz ausgeliefert werden dürfen. Diese Maschinen haben weder Emotionen noch Empathie. Schließlich darf auch eins nicht vergessen werden: KI verbraucht enorme Mengen an Energie. Sie ist weder kostengünstig noch umweltfreundlich.