Prof. Dr. Ulrich Haas, Universität Zürich
Nach § 15b IV InsO muss der Geschäftsführer einer GmbH verbotswidrige Zahlungen
erstatten. Die Vorschrift entspricht dem bisherigen § 64 S. 1, 2 GmbHG aF, dessen
rechtliche Einordnung umstritten war. Der Rechtsprechung zufolge war dieser Erstattungsanspruch ein solcher „eigener Art“ (BGH NZI 2020, 425 Rn. 21), also weder vertraglicher noch deliktsrechtlicher Natur (BGH ZIP 2020, 318 Rn. 15). Die Frage nach der rechtlichen Qualifikation des Erstattungsanspruchs stellt sich auch nach neuem Recht; denn der Gesetzgeber hat die Frage nach der Rechtsnatur des § 15b InsO bewusst offengelassen.
In der Literatur wird die bisherige Rechtsprechung des BGH für das neue Recht mitunter einfach fortgeschrieben (HmbKomm-InsR/Schmidt InsO § 15b Rn. 3). Diese Ansicht sollte überdacht werden. § 15b InsO steht im engen Zusammenhang mit der Insolvenzverschleppungshaftung nach § 823 II BGB iVm § 15a InsO, die eindeutig deliktischer Natur ist. Zudem spricht der BGH im Verhältnis der beiden Ansprüche zueinander von einer „funktionalen Nähe“ (BGH NZG 2011, 624 Rn. 16), dient doch der Anspruch wegen Insolvenzverschleppung bekanntermaßen dazu, Lücken in dem durch § 15b InsO vermittelten Gläubigerschutz zu schließen (Kayser/Thole/Kleindiek InsO § 15b Rn. 8). In § 26 III, IV InsO sind zudem weitere an der materiellen Insolvenz anknüpfende Haftungsansprüche gegen das Leitungsorgan geregelt. Nach § 26 II InsO kann, wer einen Vorschuss nach § 26 I InsO geleistet hat, Rückgriff gegen jede Person nehmen, die die Insolvenzantragspflicht verletzt hat. Dieser Anspruch ist deliktischer Natur (Kayser/Thole/Laroche InsO § 26 Rn. 38). Nach § 26 IV InsO hat jede Person einen Vorschusses nach § 26 I 2 InsO zu leisten, die die Insolvenzantragspflicht verletzt hat. Auch hierbei handelt es sich um einen deliktsrechtlichen Anspruch (AG Nürnberg NZI 2017, 638; K. Schmidt/Keller InsO § 26 Rn. 42). Für § 15b IV InsO, der an § 15a InsO in mehrfacher Hinsicht anknüpft, kann nichts anderes gelten.
Folgt man der hier vertretenen Ansicht, kann der Anspruch nach § 15b InsO mithilfe des § 830 BGB auf Gehilfen und Anstifter erstreckt werden. Damit kann für verbotswidrige Zahlungen des Geschäftsführers, die mit Wissen und Wollen des Gesellschafters getätigt wurden, auch der Gesellschafter zur Verantwortung gezogen und hierdurch eine Gläubigerschutzlücke geschlossen werden. Auf diese Lücke hat kürzlich erst der Ausschuss der Ständigen Deputation des Deutschen Restrukturierungs- und Insolvenzgerichtstags in seinem Ausschussbereich vom 21.08.2023 hingewiesen und eine Gesellschafterhaftung für den Fall gefordert, dass das unrettbare Unternehmen trotz Wissen um die schon eingetretene Insolvenzreife fortgeführt wird (s. Ausschussbericht „Quo Vadis Insolvenzantragspflicht“ Rn. 230). Diese Gläubigerschutzlücke ließe sich einfach und effektiv durch eine deliktische Qualifikation des Anspruchs aus § 15b InsO beseitigen.