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Resolvenz als gleichberechtigter Verfahrenszweck? - NZI 7/2024

Prof. Dr. Dres. h. c. Rolf Stürner, Freiburg
Die Landschaft existierender Insolvenzverfahren hat sich mit der Restrukturierungsrichtlinie und ihrer Implementation durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFOG) noch einmal deutlich verändert. Die InsO hat den Verfahrenszweck im Sinne einer Hierarchie beschrieben, an deren Spitze die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger stand, der sich andere Zwecke wie Sanierung oder Entschuldung unterzuordnen hatten. Letztlich blieb aber immer die Wertigkeit liquidationsmäßiger Gläubigerbefriedigung der Rahmen, innerhalb dessen sich sanierende Insolvenzplanverfahren zu bewegen hatten, und auch die Entschuldung rechtfertigte sich überwiegend aus der besseren Effizienz einer Schuldentilgung durch den positiv motivierten und voll mitwirkungsbereiten Schuldner.

Die Verkürzung der Wohlverhaltensfrist auf drei Jahre lässt aber den Gedanken des „fresh start“ und damit der Resolvenz mehr und mehr überwiegen. Der Spielraum, den die Insolvenzordnung bei der Vergleichsrechnung zwischen hypothetischer liquidationsmäßiger Befriedigung und hypothetischem Erlös bei Planverwirklichung für gutachterliches und gerichtliches Ermessen lässt, orientiert sich stärker an einem Willen zur Resolvenz als am Gedanken bestmöglicher Gläubigerbefriedigung, dem in Zweifelsfällen eigentlich eher eine Beachtung des Gläubigerwillens („in dubio pro liquidatione“) entspräche und nicht eine Unterwerfung unter einen kalkulierenden richterlichen Machtspruch. Schon die Möglichkeit, bei einer innerhalb einer nunmehr reichlich großzügigen Frist von 24 Monaten drohenden Zahlungsunfähigkeit ein Insolvenzplanverfahren einleiten zu können, erweitert den gutachterlichen und richterlichen Bewertungsspielraum erheblich.

Nach dem StaRUG genügen schon nicht genauer definierte Entwicklungen, die den Fortbestand einer juristischen Person oder Personengesellschaft gefährden können, um ein Planverfahren mit vom Schuldner vorgeschlagenem Plan einzuleiten. Dieser Plan kann ohne richterliche Mitwirkung und nur unter Beratung und Aufsicht eines gerichtlich bestellten Restrukturierungsbeauftragten den nach Gruppen geordneten Gläubigern Stundung oder Forderungsverzicht abverlangen und auch zur Abstimmung gestellt werden. Erst wenn die Planbestätigung durch das Gericht ansteht oder das Gericht vorher um direkte Mitwirkung angegangen wird, erfolgt eine richterliche Kontrolle drohender Zahlungsunfähigkeit und der Korrektheit des Plans. Das Ziel der Erhaltung oder Wiedererlangung von Solvenz kann volles Eigengewicht entfalten und der Verfahrenszweck der Gläubigerbefriedigung hat an ursprünglichem Gewicht verloren.

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