Die da oben - NZI 4/2024
RiAG a.D. Ulrich Schmerbach, Göttingen
Die Insolvenzordnung zählt zu den am häufigsten geänderten Gesetzen (Steuergesetze einmal ausgenommen). Sie enthält Regelungen für die Verfahren natürlicher und juristischer Personen einschließlich Restschuldbefreiung und Insolvenzplan sowie für das Eigenverwaltungsverfahren. Das StaRUG ermöglicht schließlich seit 2019 die Sanierung außerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens. Doch damit nicht genug. Der Vorschlag einer Harmonisierungsrichtline vom 07.12. 2022 soll Hindernisse für aus den divergierenden Insolvenzrechtsregelungen der Mitgliedsstaaten der EU für Kapitalmärkte beseitigen oder zumindest verringern.
Dem Vorschlag kommt weitreichende Bedeutung zu. Erfasst ist auch die Liquidation zahlungsunfähiger Kleinstunternehmen.
Im Editorial Heft 24/2023 hat Irmtraud Pape eindringlich auf die Konsequenzen hingewiesen. Betroffen sind in Deutschland ca. 80% der Unternehmen. Bestellt werden soll ein Insolvenzverwalter nur auf Antrag des Schuldners oder eines Gläubigers/einer Gläubigergruppe. Bei nicht ausreichender Masse trifft die Kostentragungspflicht den Antragsteller. Unterbleibt die Bestellung eines Insolvenzverwalters, kann das Insolvenzgericht weitere Entscheidungen treffen.
Nach gegenwärtiger Rechtslage werden Anträge in Kleininsolvenzverfahren häufig mangels Masse abgewiesen, falls nicht der Schuldner (als natürliche Person) Restschuldbefreiung und Stundung beantragt und diese bewilligt wird. Die Freude über eine Verfahrenseröffnung währt aber nicht lange. Die Gläubiger können ihre Forderung zwar anmelden, die 85 Cent Briefporto realisieren sich in den seltensten Fällen. Das Interesse der Gläubiger erlahmt schnell. Ein Forderungsverzeichnis wird in der Gewissheit erstellt, dass es selten als Grundlage für eine Verteilung dient. Der Schuldner als natürliche Person erhält in der Regel die Restschuldbefreiung. Verstöße des Schuldners sind zwar sanktioniert, Versagungen gem. §§ 290 ff. InsO aber die große Ausnahme mangels Antragstellung der Gläubiger.
Die Insolvenzgerichte veranstalten ein Schattenboxen. Die Stundungsverfahren belasten die Landeskasse jährlich mit Millionenbeträgen. Eine darüberhinausgehende Bearbeitung würde weitere Kosten verursachen und die Insolvenzgerichte in ein Chaos stürzen.
Es ist an der Zeit, überkommenes Denken hinter uns zu lassen und alte Routinen aufzugeben. Das heißt nicht, dass „auf Teufel komm raus“ immer neue Gesetze geschaffen werden müssen. Die da oben können aber die überforderte Praxis nicht jedes Jahr mit einem neuen Gesetz beglücken. Häufig wird es genügen, bestehende Gesetze zu entrümpeln und Verfahrensvereinfachungen durchzusetzen. Die Vorschläge liegen schon seit Jahren auf dem Tisch (Beispiel: Wozu Eröffnung masseloser Insolvenzverfahren?).
Fazit: Eine Verbesserung der Stellung der Beteiligten ist nicht zu erwarten. Vielmehr wird der Steuerzahler noch ein bisschen mehr belastet. Doch Vorsicht: Staatsverdrossenheit wird häufig gespeist aus mehreren Quellen.