VorsRiLG a. D. Irmtraut Pape, Göttingen
Die Harmonisierung des Insolvenzrechts schreitet weiter voran. Der Vorschlag für eine Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts vom 7.12.2022 (COM(2022)702 final) soll die aus den divergierenden Insolvenzrechten entstehenden Hindernisse für europäische Kapitalmärkte beseitigen, zumindest verringern.
Von der Harmonisierung erfasst ist auch die Liquidation zahlungsunfähiger Kleinstunternehmen, Art. 38-62 RL-E. Die Mitgliedstaaten sollen sicherstellen, dass für Kleinstunternehmen ein vereinfachtes Liquidationsverfahren existiert, das idR als Verfahren unter Eigenverwaltung des Schuldners durchgeführt wird. Als Kleinstunternehmen gelten dabei Unternehmen mit neun oder weniger Mitarbeitern und einem Umsatz oder einer Bilanzsumme von bis zu 2 Mio. EUR pro Jahr. Das würde in Deutschland ca. 80% der Unternehmensinsolvenzen betreffen. Die Richtlinie sieht in Art. 39 RL-E vor, dass ein Insolvenzverwalter nur auf Antrag des Schuldners oder eines Gläubigers bzw. einer Gläubigergruppe bestellt wird. Bei nicht ausreichender Masse sollen die Kosten vom Antragsteller zu tragen sein. Das Gericht bestellt von Amts wegen keinen Insolvenzverwalter. Wird kein Insolvenzverwalter bestellt, dem Schuldner aber die Befugnis zur Verwaltung und Veräußerung seines Vermögens entzogen, sollen die Entscheidungen betreffend Verwaltung und Veräußerung des Schuldnervermögens beim Insolvenzgericht getroffen werden. Das Gericht kann- mit Zustimmung der Beteiligten- die Entscheidungen einem Gläubiger übertragen. Wird kein Insolvenzverwalter bestellt, werden in diesen sog. Kleinstverfahren noch weitere Aufgaben dem Gericht übertragen. So soll das Gericht die Tabellenführung, die Feststellung der Forderungen, die Feststellung der Insolvenzmasse, die Verwaltung der Vermögenswerte und die Erlösverteilung bzw. die Entscheidung über den Abschluss des Verfahrens ohne Verwertung übernehmen. Sofern eine Verwertung der Vermögenswerte des Schuldners erfolgt, soll dies idR im Wege elektronischer, öffentlicher Auktion geschehen, Art. 49 RL-E.
Der vorliegende Vorschlag gibt schon auf den ersten Blick Anlass zur Kritik. Schaut man auf die in Betracht kommenden Schuldner – vornehmlich kleinere Handwerksbetriebe, Gastronomie und Einzelhandel – erscheint es äußerst zweifelhaft, ob diese in der Lage sind, die sich in der Insolvenz stellenden Aufgaben und Probleme zu bewältigen, sie wären damit überfordert. Folge des Verfahrens wäre zudem die nicht mehr vorhandene Insolvenzgeldvorfinanzierung, so dass eine Betriebsfortführung nicht mehr möglich wäre. Letztlich würden die Kernaufgaben eines Insolvenzverwalters auf die Gerichte verlagert. Ungeachtet, dass die Insolvenzrichter hier einen unbeschreiblichen Fortbildungsbedarf hätten, weder die sachliche noch die erforderliche personelle Ausstattung bei den Gerichten vorhanden ist, ginge die vorhandene Kompetenz und Ausstattung bei den Insolvenzverwaltern verloren. Das kann nicht die Folge einer Regelung sein!