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Der Erstattungsanspruch nach § 15b IV InsO - NZI 22/2023

Prof. Dr. Ulrich Haas, Zürich
Nach § 15b IV InsO muss der Geschäftsführer einer GmbH verbotswidrige Zahlungen iSd § 15b II InsO erstatten. Die Vorschrift entspricht dem bisherigen § 64 S. 1 und 2 GmbHG, nach der jede Zahlung einen selbstständigen Erstattungsanspruch begründete (BGH NZG 2020, 260 Rn. 38). Zum neuen Recht wird vertreten, dass sämtliche Zahlungen zu einem einheitlichen Anspruch zu saldieren sind.

Dies findet im Wortlaut keine Stütze und ist auch nicht sinnvoll. Wenn der Anspruch aus § 15b IV InsO mit einem Anfechtungsanspruch konkurriert, muss es dem Insolvenzverwalter überlassen bleiben, ob er gegen den Geschäftsführer oder den Anfechtungsgegner vorgeht. Dieses Wahlrecht wäre mit einer Saldierung zu einem Gesamtanspruch kaum zu vereinbaren. Auch aus prozessualen Gründen kann es Sinn machen, Rückerstattung nur hinsichtlich einzelner Zahlungen zu verlangen, wenn nämlich der Geschäftsführer gar nicht in die Lage ist, sämtliche Zahlungen zu erstatten oder die Rechts- und Beweislage hinsichtlich anderer Zahlungen ungewiss ist. Daher ist – wie nach bisherigen Recht auch – daran festzuhalten, dass jede Zahlung/Rechtshandlung einen eigenständigen Erstattungsanspruch begründet.

Nach § 15b IV 2 InsO kann der Geschäftsführer gegen den Erstattungsanspruch einwenden, dass der „Gläubigerschaft … ein geringer Schaden entstanden ist“. Aus dem Wortlaut folgt, dass die Schadensberechnung aus Sicht der Gläubiger zu erfolgen hat. Umstritten ist, wie der Schaden zu berechnen ist. Einige sehen in § 15b IV 2 InsO eine „Beschränkung des Anspruchs auf den Quotenschaden“. Das ist falsch. Der Quotenschaden beschreibt den dem einzelnen Gläubiger entstandene Verschleppungsschaden, der niemals den der Gläubigerschaft entstandenen Schaden begrenzen kann. Mitunter wird der der Gläubigerschaft entstandene Schaden mit dem Verschleppungsschaden gleichgesetzt. Hiergegen spricht jedoch bereits der Wortlaut des § 15b II InsO, der in Bezug auf die Pflichtwidrigkeit der Zahlung danach differenziert, ob diese vor oder nach Verletzung der Antragspflicht erfolgt ist. In beiden Fällen ist der Umfang der Ersatzpflicht nach § 15b IV InsO zu berechnen. Die Ansicht, dass nach S. 2 maximal der Verschleppungsschaden zu ersetzen wäre, würde zu dem absurden Ergebnis führen, dass bei Verletzung des § 15b II 2 InsO die Zahlung nie zu erstatten wäre; denn bestand im Zeitpunkt der Zahlung keine Antragspflicht, ist der Verschleppungsschaden stets Null.

Gegen das Abstellen auf einen Verschleppungsschaden spricht zudem, dass ein so verstandener Gläubigerschaden keine taugliche Begrenzung darstellt, wenn der Insolvenzverwalter Erstattung nur bestimmter Zahlungen verlangt. Hinzu kommt, dass die Intention des § 15b IV 2 InsO ja darin besteht, dem Geschäftsführer zu schützen, indem eine Überkompensation vermieden wird. Wollte man nun den Erstattungsanspruch auf den Verschleppungsschaden begrenzen, gäbe man dem Geschäftsführer wegen der hohen Darlegungsund Beweislast „Steine statt Brot“. Auch ein Verweis auf § 287 ZPO hilft dem Geschäftsführer nicht. § 287 ZPO erlaubt keine Schätzung, die mangels greifbarer Anhaltspunkte in der Luft hängt. Richtiger Ansicht nach ist unter dem „Schaden“ iSd § 15b IV 2 InsO nicht ein durch Insolvenzverschleppung entstandener, sondern der konkret durch die Zahlung verursachte Schaden zu Lasten der Gläubigergesamtheit zu verstehen.

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