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Die Tücken des elektronischen Rechtsverkehrs - NZI 18/2023

VorsRiOLG a. D. Werner Sternal, Köln
Seit dem 1.1.2022 sind Rechtsanwälte gem. § 130d ZPO verpflichtet, Anträge sowie Erklärungen als elektronisches Dokument bei Gericht einzureichen (vgl. bereits Keller NZI 12/2022, V). Wird die gesetzlich vorgeschriebene Form nicht eingehalten, fehlt es an einem wirksamen Antrag oder einer wirksamen Erklärung; etwaige Fristen werden nicht gewahrt.

Zu § 130d ZPO korrespondierende Vorschriften bzw. Verweisungen auf § 130d ZPO finden sich in den anderen Verfahrensordnungen (so § 46g ArbGG; § 55d VwGO; § 65d SGG; § 14b FamFG). Die Nutzungspflicht besteht nach herrschender Auffassung auch für einen Insolvenzverwalter, wenn dieser Rechtsanwalt ist und Anträge bei Gericht einreicht.

Entsprechend hat ein Rechtsanwalt in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter beim Grundbuchamt Mitte/Berlin wegen eines Versäumnisurteils über 262.878,77 EUR sowie eines Kostenfestsetzungsbeschlusses über 12.272 EUR einen Vollstreckungsantrag als elektronisches Dokument eingereicht und die Eintragung entsprechender Zwangssicherungshypotheken auf dem Grundbesitz des Vollstreckungsschuldners beantragt. Dabei wurde indes übersehen, dass der Gesetzgeber ausschließlich für Grundbuchsachen von der elektronischen Nutzungspflicht eine Ausnahme vorsieht. § 135 I GBO schreibt vor, dass Anträge, sonstige Erklärung sowie Nachweise über andere Eintragungsvoraussetzungen dem Grundbuchamt elektronisch übermittelt werden können (§ 135 I 1 Nr. 1 GBO) bzw. müssen (§ 135 I 2 Nr. 4 GBO), sofern im jeweiligen Bundesland die elektronische Übersendung durch Rechtsverordnung geregelt ist. Das Land Berlin wie auch weitere Bundesländer (vgl. www.elrv/info) haben indes den elektronischen Rechtsverkehr mit dem Grundbuchamt noch nicht zugelassen.

Im konkreten Fall führte dies dazu gehört, dass der eingereichte Vollstreckungsantrag die notwendige Form (§ 867i ZPO) nicht einhielt. Der Antragsteller hatte zwar auf entsprechenden, nicht rangwahrenden Hinweis des Grundbuchamts auf die Unzulässigkeit des elektronisch eingereichten Antrages die zur Wahrung der Form erforderlichen Ausfertigungen der Vollstreckungstitel mit den Vollstreckungsklauseln in Papierform nachgereicht; jedoch war zwischenzeitlich die Übertragung des Grundbesitzes durch den Vollstreckungsschuldner auf einen Dritten im Grundbuch vollzogen worden. Damit schied die zeitlich später beantragte Eintragung der Zwangssicherungssicherungshypotheken aus, wie das KG auf die Beschwerde des Insolvenzverwalter rechtskräftig festgestellt hat (16.5.2023 – 1 W 94/23, BeckRS 2023, 14101).

Wir befinden uns im Jahre 2023 n.Chr. Alle Verfahrensordnungen sehen eine zwingende elektronische Nutzungspflicht für Rechtsanwälte vor. Alle Verfahrensordnungen? Nein! Nicht die Grundbuchordnung! (Frei nach Goschinny/Uderzo, Asterix).

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