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Das Verbindende des Insolvenzrechts - NZI 14/2023

Prof. Dr. Heinz Vallender, Erftstadt
Die Szene mutet einerseits etwas befremdlich an, sendet aber andererseits ein Zeichen der Hoffnung auf bessere Zeiten: Vertreter von drei Nationen, die mehr als problematische Beziehungen zueinander haben, sitzen friedlich nebeneinander auf dem Podium einer Insolvenzrechtskonferenz und diskutieren aktuelle insolvenzrechtliche Fragen. Die Rede ist von Aserbaidschan, Armenien und der Türkei.

Der Grenzkonflikt zwischen Armenien und Aserbeidschan findet sei Mai 2021 entlang deren gemeinsamer Staatsgrenze, insbesondere in der Region Bergkarabach, statt. Seit diesem Zeitpunkt kommt es häufiger zu bewaffneten Auseinandersetzungen, in deren Verlauf zahlreiche Menschen ihr Leben verloren haben. Auch die Beziehungen zwischen Armenien und der Türkei gelten als äußerst belastet. Armenien erkennt die Grenze mit der Türkei nicht an, weil es seinen Nachbar des Völkermords bezichtigt. Sowohl der deutsche Bundestag als auch der amerikanische Kongress haben 2016 und 2019 in entsprechenden Resolutionen den Mord an 1,5 Mio. Armeniern im Osmanischen Reich als Völkermord erklärt.

Möglich gemacht hat diese nicht alltägliche Begegnung der Insolvenzverwalterverband Georgiens BRIPA (Business Rehabilitation and Insolvency Practitioners Association) mit Unterstützung der US-amerikanischen Hilfsorganisation USAID (US Agency for International Development). Unter der tatkräftigen Regie der BRIPA-Vorsitzenden Nana Amisulashvili und des weiteren Vorstandsmitglieds Tinatin Shugarova hatten die Organisatoren zum ersten insolvenzrechtlichen Regionalkongress unter dem Titel „Challenges of Modern Insolvency Law“ am 24.05. und 25.05.2023 in die Hauptstadt Georgiens eingeladen. Bemerkenswert an der Tiflis-Konferenz ist nicht nur die Begegnung von Vertretern Aserbaidschans, Armeniens und der Türkei, sondern auch der Umstand, dass die Initiative hierzu von Georgien ausgegangen ist, einem kleinen Staat im Südkaukasus, dessen Einwohner angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und des Kaukasischen Fünftagekriegs im Jahre 2008 nicht ohne Grund mit Sorgen in die Zukunft blicken, die aber trotz ihrer schwierigen geopolitischen Lage bestrebt sind, die Voraussetzungen (zwölf Prioritäten wie zB eine Justizreform) für einen Beitritt zur Europäischen Union zu erfüllen. Bereits 2021 hatte das georgische Parlament ein modernes Insolvenzrecht verabschiedet, das auch die Möglichkeit der Restrukturierung von Unternehmen vorsieht.

Der Eindruck des Verfassers dieser Zeilen, der die Ehre hatte, an der ersten Kaukasus- Regionalkonferenz im Insolvenzrecht teilnehmen zu dürfen, ist mehr als positiv. Die Tiflis- Konferenz hat einmal mehr gezeigt, welch verbindende Kraft das Insolvenzrecht haben kann. Auch wenn es im politischen Bereich kaum Gemeinsamkeiten insbesondere zwischen Armenien und Aserbaidschan gibt, weisen die Insolvenzrechte beider Länder zahlreiche Parallelen wie zB die Restrukturierung von Unternehmen auf, die für die Vertreter ihrer Länder bei der Konferenz eine hervorragende Basis für eine fruchtbare Diskussion bildeten, und die sie auch im Anschluss an die Panels zu zahlreichen persönlichen Gesprächen zusammenführte. Allein aus diesem Grunde kann die Bedeutung dieser ersten Kaukasus-Regionalkonferenz zum Insolvenzrecht nicht hoch genug eingestuft werden. Dafür gebührt den Veranstaltern besonderer Dank.

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