Nagelproben für das StaRUG - NZI 12/2023
RA Dr. Daniel Wozniak, München/Nürnberg
Nachdem das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) bereits seit mehr als zwei Jahren in Kraft ist, wollte sich bislang in der Praxis noch nicht recht bewahrheiten, was die Gesetzesbegründung verwirklicht sehen wollte. Danach sollte ein neuer Rechtsrahmen geschaffen werden, der es Unternehmen ermöglicht, sich auf der Grundlage eines Restrukturierungsplans zu sanieren und damit die Insolvenz abzuwenden.
Zu diesem Zweck sollte die nach geltendem Recht bestehende Lücke zwischen dem Bereich der auf Konsens aller Beteiligten angewiesenen Sanierung einerseits und der kostenintensiven Insolvenz andererseits geschlossen werden. Indes: das Interesse der Praxis war gering. Blickt man auf die unter www.restrukturierungsbekanntmachungen. de veröffentlichte Zahl an Verfahren, fällt das Ergebnis mit im maximal möglichen Recherchezeitraum vom 17.07.2022 bis 15.05.2023 insgesamt vier Verfahren bundesweit recht ernüchternd aus. Die bislang veröffentlichten Entscheidungen zum StaRUG dürften eher als „Testballon-Verfahren“ zu bewerten sein (so die Sanierung einer Salatbar mit vier Gläubigern, AG Hamburg v. 01.11.2022 – 61c RES 1/21, NZI 2023, 271 mBspr. J. Schmidt/Breuer NZI 2023, 241).
Mit einigen Verfahren von erheblicher Größe dringt die Sanierung über das StaRUG in den vergangenen Monaten nunmehr augenscheinlich erstmals auch in Bereiche vor, die bei Schaffung des Gesetzes mutmaßlich als Anwendungsfall gedacht waren. Derzeit laufende Verfahren wie Gerry Weber International AG (AG Essen, 161 RES 1/23, nv) oder der LEONIE AG (AG Nürnberg, RES 397/23, nv) werden als international ausgerichtete Großverfahren zeigen können, ob die Restrukturierung durch das StaRUG einen Mehrwert gegenüber einem Eigenverwaltungsverfahren mit Insolvenzplan bieten kann. Die bislang bekannt gewordenen Sanierungsmaßnahmen („Schuldenschnitt“) jedenfalls wären auch ohne das StaRUG möglich gewesen und lassen für sich genommen noch keinen Mehrwert des neuen Verfahrensregimes erkennen.
Von vorstehenden Überlegungen losgelöst bleibt für die beteiligten Gläubiger die Hoffnung, dass neben dem Schuldenschnitt zulasten der Aktionäre künftig in StaRUG-Verfahren auch die strukturell-organisatorische Restrukturierung im Unternehmen nicht versäumt wird. Es wäre ein fatales Signal an Kreditwirtschaft und Shareholder, wenn sich das StaRUG bereits in den ersten Großverfahren zum „Schuldenschnittinstrument gegen nennenswerte Minderheiten“ mit der Option „Danach weiter wie bisher“ entwickeln würde. Dieses Verdikt haftet dem StaRUG bereits jetzt zum Teil an. Wenn die wirtschaftspolitische Grundausrichtung unserer Volkswirtschaft weiterhin darauf gerichtet bleiben soll, ökonomische Leistungsfähigkeit zu belohnen und ein Scheitern jedes (auch eines systemrelevanten) Marktteilnehmens zu ertragen, ist gerade bei den ersten Referenzverfahren vorsichtige Zurückhaltung mit dem Instrumentenkasten des StaRUG geboten. Ein Schuldenschnitt allein macht noch kein wettbewerbsfähiges Unternehmen.