Insolvenzrisiken durch Sorgfaltspflichten in Lieferketten? - NZI 9/2023
RA Dr. Rainer Riggert, Achern
Am 01.01.2023 ist das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ (LkSG) in Kraft getreten. Das Gesetz hat das Ziel, vor allem Menschenrechte, Gesundheit und Umwelt in der globalen Wirtschaft besser zu schützen. Es gilt zunächst für Großunternehmen ab 3.000 Arbeitnehmer, ab dem 01.01.2024 auch für Unternehmen ab 1.000 Arbeitnehmern (§ 1 I 2 LkSG).
Die in § 3 LkSG genannten Sorgfaltspflichten für die Unternehmen sind sehr umfangreich und erfordern ein neues lieferkettenbezogenes Risikomanagement. Insoweit sieht der Gesetzgeber eine Zumutbarkeit der damit erforderlichen betrieblichen Aufwendungen nur für größere Unternehmen als gegeben an.
Im Hinblick auf neue – ggf. bestandsbedrohende – Haftungssituationen hat sich der Gesetzgeber um Begrenzung bemüht: Eine Haftung nach § 823 II BGB lässt sich nicht mit einem Verstoß gegen Sorgfaltspflichten des Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten begründen, es handelt sich nicht um schutzgesetzliche Regelungen iSv § 823 II 1 BGB. Insoweit wird keine zivilrechtliche Haftung begründet (§ 3 III LkSG). Der Verstoß kann allerdings zu einer Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld führen.
Schwerer wiegt aber als Sanktion die Möglichkeit, das Unternehmen von der Vergabe öffentlicher Aufträge auszuschließen (§ 22 LkSG). War das Unternehmen bislang für öffentliche Auftraggeber tätig, so kann dadurch das Geschäftsmodell vollständig in Frage gestellt sein.
Die größte Gefahr für Unternehmen entsteht jedoch aus § 11 LkSG, wonach in der Lieferkette besonders stark geschädigten ausländischen Personen eine Prozessstandschaft in Deutschland eingeräumt ist. § 11 I LkSG sieht vor, dass die gerichtliche Geltendmachung durch eine inländische Gewerkschaft oder Nichtregierungsorganisation erfolgen kann. Die einzige prozessuale Voraussetzung ist es, dass eine wirksame Ermächtigung erfolgt ist, das fremde Recht im eigenen Namen geltend machen zu dürfen. Hierdurch kann es erforderlich werden, die Risiken einer solchen Klage auch bilanziell zu berücksichtigen, in letzter Konsequenz auch in einer für die Ermittlung einer etwaigen Insolvenzantragspflicht anzufertigenden Sonderbilanz.