RAin Dr. Anne Deike Riewe München
… und das Insolvenzeröffnungsverfahren dauert drei Monate!?
Zu den unspektakulärsten und in den Stellungnahmen weitestgehend übergangenen Regelungen des Richtlinienvorschlags zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts gehört dessen (auch nur einen einzigen Artikel umfassender) Titel VII „Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz des nationalen Insolvenzrechts“. Von jedem Mitgliedstaat vorzulegen ist danach ein Merkblatt, das höchstens fünf gedruckte DIN-A4-Seiten umfassen darf, wobei Schriftzeichen lesbarer Größe zu verwenden sind (Art. 68 III b Richtlinienentwurf).
Ob es gelingt, mit den aufgelisteten Angaben das deutsche Insolvenzverfahren einem ausländischen Kapitalmarktteilnehmer transparenter erschienen zu lassen, mag allerdings allein deshalb bezweifelt werden, weil Inhalt und Ablauf des Insolvenzeröffnungsverfahrens hier nicht abgefragt werden. Man könnte das als weiteren Beleg für die Ablehnung des Insolvenzeröffnungsverfahrens durch die EU-Kommission abhaken. Oder die Frage zulassen und die Diskussion führen, ob die praktische Ausgestaltung des Insolvenzeröffnungsverfahrens, die bei Lichte betrachtet von den geschriebenen Regeln der Insolvenzordnung in vielen Punkten ja doch eher zugelassen als vorgegeben wird, tatsächlich so zwingend ist.
Stellt etwa das im Eröffnungsverfahren versenkte Schutzschirmverfahren tatsächlich eine überzeugende Variante dar oder könnte hier durch eine Freistellung dieses Verfahrenstyps ein Mehrwert erreicht werden? Ist das Auseinanderziehen von Liquiditätsgenerierung durch Insolvenzgeldvorfinanzierung und vollem Eingreifen der insolvenzrechtlichen Instrumentarien erst mit der Eröffnung der sinnvollste Weg? Oder wären auch hier andere Ausgestaltungen denkbar, die womöglich in der nationalen Verfahrensführung schnellere und zugleich wirtschaftlich sinnvolle Ergebnisse unterstützen und gleichzeitig in der europäischen Perspektive einen Schritt Richtung Harmonisierung darstellen oder hierfür zumindest eine Grundlage schaffen können?
Das Spiel dauert 90 Minuten. Aber eben auch nur, wenn es keine Verlängerung gibt. Und keine Nachspielzeit. Und überhaupt nur, wenn es sich um ein Fußballspiel handelt. In vertrauten Welten nehmen wir Brüche und Widersprüche oft nicht als solche wahr, während sie uns auf neuem Terrain sofort ins Auge springen und Ablehnung provozieren können. Um besser zu werden, müssen wir diesen Widerstand überwinden. Das nächste Spiel ist immer das schwerste – aber auch das, das wir am greifbarsten gewinnen können.