RiBGH a. D. Professor Dr. Markus Gehrlein, Landau
Ephraim Kishon, der große Satiriker, schuf den Helden Kasimir Blaumilch, der nach der Flucht aus dem Irrenhaus eigenmächtig mit dem Presslufthammer eine Hauptverkehrsstraße aufriss und schließlich unter allgemeinen Beifall in einen Kanal verwandelte. Die Dauerbaustelle Insolvenzordnung (Gerhard Pape) ist zum geflügelten Wort geworden. Mancher fragt bang, ob sie am Ende in einen Blaumilchkanal mündet.
Ein wesentlicher Grund für diese Befürchtung liegt in der unermüdlichen Aktivität insbesondere des EU-Gesetzgebers, der geradezu Schlag auf Schlag eine Richtlinie der anderen folgen lässt, ohne dass der nationale Gesetzgeber Atem schöpfen kann. Gefühlt gerade erst wurde das StaRUG verabschiedet, schon meldet sich die EU mit einer Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts.
Widmete sich der EU-Gesetzgeber bislang eher vorgelagerten Fragen wie der Zuständigkeit, befasst er sich jetzt mit dem materiellen Insolvenzrecht. Wesentliche Elemente des Vorschlags bilden das Insolvenzanfechtungsrecht, die Rückverfolgung und Gewinnung von massezugehörigen Vermögen, die Ermöglichung einer zügigen Veräußerung von Unternehmensteilen, Bildung und Arbeitsweise von Gläubigerausschüssen wie, auch die Insolvenzantragspflicht. Diese Vorschläge bedürfen selbstverständlich noch einer sorgfältigen Beratung, denkt man etwa an die vorgeschlagene großzügige dreimonatige Frist für die Antragspflicht. Andererseits wird bei der Schenkungsanfechtung ein Ansatz verfolgt, der Im Blick auf das Merkmal der offensichtlichen Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung über die deutsche Rechtsprechung hinausgehen dürfte. Immerhin kann man feststellen, dass die Regelungen in allen nationalen Rechtsordnungen bedeutsame Aspekte betreffen. Die damit intendierte Vereinheitlichung ist durchaus zu begrüßen. Andererseits wäre zu wünschen, dass die Gesetzgebung einen gewissen, wenigstens vorläufigen Stillstand findet.
Nicht nur an den Blaumilchkanal, sondern auch an Goethes Zauberlehrling fühlt man sich erinnert, wenn man die aktuellen Entwicklungen zur Vorsatzanfechtung betrachtet. Das Gesetz kennt Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO). Für den Benachteiligungsvorsatz wird ein Wissen um eine weitergehende, dem Gesetz fremde Zahlungsunfähigkeit (de luxe oder XXL) verlangt. Der Geschäftsführer einer GmbH handelt trotz vorsätzlicher Missachtung der Insolvenzantragspflicht und des Zahlungsverbots nicht mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er voll Optimismus auf eine Änderung der Verhältnisse hoffen darf. Wer findet einen Ausweg aus diesem Labyrinth, bei dem ohnehin schon die Grenzen richterlicher Gestaltungsfreiheit erreicht sein dürften?