Prof. Dr. Martin Ahrens, Universität Göttingen
Die Energiepreispauschale für erwerbstätige Personen iHv 300 EUR ist im Steuerentlastungsgesetz 2022 vom 23.05.2022 zum September 2022 umgesetzt worden (BGBl. 2022 I 749). Bekanntlich sind die Pfändbarkeit und der daraus folgende Insolvenzbeschlag dieser ersten Energiepreispauschale sehr umstritten.
Teilweise wird eine Qualifikation als atypische Sozialleistung mit einem daraus resultierenden einzelfallabhängigen Pfändungsschutz nach § 54 II SGB I angenommen (Ahrens NZI 2022, 849 (851); aA AG Norderstedt NZI 2022, 869; AG Aschaffenburg NZI 2022, 944 (in diesem Heft); Rein NJW-Spezial 2022, 661). § 258 AO schützt evtl. vor einer Vollstreckung durch Finanzbehörden. Für die Praxis resultieren aus diesen ungeklärten Rechtsfragen erhebliche Belastungen.
Aus diesen Regelungsdefiziten bei der ersten Energiepreispauschale hat der Gesetzgeber gelernt. Die als „Energiepreispauschale II“ bezeichneten Leistungen an Rentnerinnen und Rentner sind nach § 4 II Rentenbeziehende- Energiepreispauschalengesetz und die an Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger des Bundes nach § 3 II Versorgungsrechtliches Energiepreispauschalen-Gewährungsgesetz (BT-Drs. 20/3938, 6 (9); der Gesetzentwurf ist von Bundestag und Bundesrat angenommen, aber noch nicht veröffentlicht) unpfändbar. Dies ist richtig. Im Insolvenzverfahren werden damit viele Streitfragen gelöst. Einzelne Aspekte gilt es aber dennoch zu thematisieren.
Auf einem Pfändungsschutzkonto ist nach § 906 II ZPO die ausgezahlte Energiepreispauschale II auf Antrag für unpfändbar zu erklären. Weiterhin offen bleibt die rechtliche Qualifikation der Leistung. Die Materialien verhalten sich hierzu enthaltsam. Von dem formalen Begriff der Sozialleistungen aus § 11 S. 1 SGB I werden die im Sozialgesetzbuch vorgesehenen Leistungen erfasst, wozu die Energiepreispauschale II nicht gehört. Sie kann aber ebenfalls als atypische Sozialleistung qualifiziert werden. Gegen die unpfändbare Energiepreispauschale II kann deswegen weder nach § 51 SGB I aufgerechnet noch die Leistung nach § 52 SGB I verrechnet werden.
Ob die aktuellen gesetzlichen Regelungen eine Analogiebasis für einen Pfändungsschutz der Energiepreispauschale bei erwerbstätigen Personen bilden können, erscheint dagegen zweifelhaft. Mit der Überlegung, die Energiepreispauschale solle den Empfängern und nicht den allgemeinen Gläubigern zugutekommen, wird eventuell noch eine Lücke begründet werden können. Wegen der unterschiedlichen Aufgabenstellungen, einerseits Kompensation von Wegekosten bei Erwerbstätigen, andererseits Ausgleich von gestiegenen Lebenshaltungskosten der grds. stärker bedürftigen Rentner und Versorgungsempfänger (BT-Drs. 20/3938, 12), dürfte indessen eine vergleichbare Regelungssituation ausscheiden. So ist dann bei der neuen Leistung ein wichtiger, aber doch segmentarischer Schutz vor dem Insolvenzbeschlag geschaffen worden.